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LETZTE FOLGE

Viele Wochen lang haben die christlichen Kirchen aus dem Alzeyer Land die neue Rubrik „Eine andere Zeit“ mit Beiträgen bestückt.

Ziel war es, den Menschen in Zeiten, da die Kirchentüren geschlossen bleiben mussten, dennoch geistliche Impulse und ein Stück Halt zu geben.

Da Gottesdienste vielerorts – unter Auflagen – wieder stattfinden, endet mit der heutigen Folge unsere tägliche Rubrik.

Davon unberührt bleibt die samstägliche Rubrik „Um Himmels Willen“ , die auch weiterhin veröffentlicht wird.

 

Halt im schwierigen Gelände

Haben Sie sich schon einmal auf eine Wanderung begeben, die plötzlich deutlich schwieriger wurde als gedacht und die Sie an Ihre Grenzen bringt? – Eine erfahrene Wanderin würde vielleicht sagen: das darf nicht passieren, Vorbereitung ist alles!

In diesen Wochen fühle ich mich manchmal so, als wäre ich in sehr schwieriges Gelände geraten. Unüberschaubar der Weg, der Untergrund ist unsicher. Eine Grenzerfahrung! Dieses Mal ist es nicht mit einer kurzen Anstrengung getan, oder ein paar gewagten, flotten Schritten. Es braucht einen festen Stand und starke Nerven auf diesem Weg. Eine gute Ausrüstung ist unerlässlich, vielleicht sogar Stöcke, die mir helfen, meine Balance zu halten und die Last zu tragen, wenn es steil bergab geht. Damit die Kraft nicht ausgeht, braucht es guten Proviant, Nährendes und Stärkendes. Vielleicht sogar ein Erste-Hilfe-Set. Nicht alles davon habe ich im Gepäck, aber dafür gute Wegbegleiter*innen an meiner Seite. Sie geben mir starken Halt, geben ihr Bestes, setzen ihre Gaben und Kräfte dafür ein, dass wir diese schwierige Passage meistern. Ich vertraue fest darauf, dass wir das schaffen, wenn wir uns gegenseitig „Halt geben“. Indem wir aufeinander achten, aufeinander hören und den nötigen Abstand halten – auch ohne Absperrbänder. Indem wir unsere Freiheit verantwortungsvoll so gestalten, dass niemand zu Fall gebracht wird. Oder wie es Paulus im 1. Brief an die Korinther schreibt: „Seht aber zu, dass diese eure Freiheit für die Schwachen nicht zum Anstoß wird!“ – Wenn wir so unterwegs sind, dann gewinne ich Mut und Halt - auch in schwierigem Gelände!

Tanja Martin (Evangelische Kirche Eckelsheim und Wendelsheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Laut und Leise

Geist Gottes verändert die Menschen 

Krisen sind Lautsprecher – sie verstärken, was auch schon vor der Krise da war. Das erlebe ich in unserem Land genauso wie in meinem Leben. Hier werden die großen Fragen des Lebens lauter. Worauf kommt es an? Wie solidarisch kann und will ich leben – in meiner Nachbarschaft, in Deutschland, in Europa? Und wie verhalte ich mich, wenn mir der Tod – zumindest gefühlt – näher kommt? Und auf welche Stimmen höre ich? Als die Jünger Jesu nach Ostern und Himmelfahrt ganz verunsichert waren, wie es weitergehen würde, da passierte etwas Wunderbares. Gott schenkt seinen Geist. Das ist Pfingsten. Und dieser Geist verändert die Menschen. Er schenkt ihnen Hoffnung, Mut und Einheit. Und das tut er immer noch. Er verstärkt Gottes Perspektive auf diese Welt und mein Leben. Sodass ich es wahrnehmen kann. Allerdings ist Gottes Geist eher ein Leisesprecher, zurückhaltend und höflich. Fast so wie ein Gentleman, der erst laut spricht, wenn man ihn darum bittet. Aber vielleicht könnte das dieses Jahr dein Pfingstwunder werden? Dass du einfach Gottes Geist erlaubst, in dein Leben zu reden. Am Anfang wird es eher ein leises Säuseln sein, aber er wird lauter, wenn wir ihn lassen.

Martin Rust (Gemeinde am Schillerplatz) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Zurück in die Zukunft

„Das ist schlimmer als ein Science-Fiction-Film“, sagte vor einigen Wochen jemand zu mir und nickend pflichtete ich ihm bei. Ich ging meinen Weg weiter und sinnierte über diese Worte.

Ein Film eines solchen Genres lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen mit seinen unvorstellbaren Absurditäten, ist so irreal, weil es doch niemals Wirklichkeit werden kann … weil es doch eben nur ein Film ist … Wie gut, dass ich abschalten kann, denn einen solchen Film muss ich mir nicht anschauen. Also wähle ich ein anderes Programm!

Ich erinnere mich an den Science-Fiction-Film „Zurück in die Zukunft“, in dem ein junger Mensch versucht, die Vergangenheit zu verändern. Schließlich missfällt ihm gegenwärtig so manches und mithilfe einer Zeitmaschine versetzt er sich in die Vergangenheit, um einige Weichen neu zu stellen. Wie er es auch anstellen mag, es kommt immer wieder anders.

Für manche von uns glichen die zurückliegenden Wochen einem Film, in dem wir nicht einfach umschalten, geschweige denn abschalten konnten. Wir waren mittendrin. Inmitten eines Geschehens, das uns ohnmächtig werden ließ, unfähig, das Programm zu wechseln. Und heute? Vieles können wir noch nicht abschätzen, auch nicht das Ende. Dennoch liegt in diesen anderen Zeiten schon einiges hinter uns. Heute ist es anders als vor drei Monaten, sieben Wochen, vier Tagen. Wagen wir einen Blick zurück! Zu diesem Rückblick brauchen wir keine Zeitmaschine, sondern den zuversichtlichen Mut, uns auf Fragen einzulassen: Wie haben mich die vergangenen Wochen in meinem persönlichen Leben geprägt? Was habe ich neu entdeckt und was will ich bewahren für mein zukünftiges Leben? Wie habe ich mich und andere erfahren?

 

Bei allem Fragen ist mir eines gewiss: Wir können nicht einfach so tun, als wäre dieser Film nicht abgelaufen, der schlimmer war als jeder Science-Fiction-Film. Dieses Programm prägt sich ein als kollektives Gedächtnis, in dem ein Film ablief, der seines gleichen sucht. Es ist ungewiss, wann er zu Ende gespult ist. Die Bilder, die wir sahen, haben uns gelehrt, was zählt in solchen Szenarien, nämlich achtsamer Umgang in den Begegnungen.

Wir können nicht die Vergangenheit verändern, doch wir sind in der Lage, im gegenwärtigen Szenario uns angemessen zu verhalten, schließlich läuft er noch …

Annette Stegmann (Evangelischen Kirchengemeinden Albig und Heimersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Hintertürchen

Die Tür bleibt offen. Im Garten habe ich momentan immer einen Haustürschlüssel in der Tasche. Beim Wäscheaufhängen, beim Tischdecken, beim Rasenmähen. Ich brauche ihn, damit ein „Hintertürchen“ für mich offen bleibt.

Mein kleiner Sohn ist sehr gewissenhaft. Offene Terrassentüren gehören geschlossen. Er hat entdeckt, dass er das kann. Mit Kinderstuhl und viel Beharrlichkeit klappt das Schließen der Tür schon gut. Das Öffnen leider noch nicht.

Geschlossene Türen haben wir in den letzten Monaten oft gesehen. Sie haben sich nach und nach wieder geöffnet – noch nicht alle und viele nur einen Spaltbreit. Und an mancher Tür steht eine Person und zählt die Eintretenden oder es gibt sogar einen elektronischen Zählmechanismus. Es ist merkwürdig, auf dem Supermarktparkplatz zu warten, bis das grüne Licht leuchtet und ich eintreten darf.

Ein Gedanke gefällt mir aber dabei: Jede Einzelne zählt: arm und reich, besorgt und zuversichtlich, wertgeschätzt und verachtet, zweifelnd und selbstsicher, gestresst und entspannt. Jeder Einzelne ist wichtig!

Diesen Gedanken nehme ich zusätzlich zu den gefüllten Einkaufstaschen mit nach Hause. Jede Person zählt beim Meistern der Corona-Krise und im Umgang miteinander. Und auch bei Gott zählen alle gleich. Und das Beste ist: Seine Tür steht für jeden Menschen weit offen, den Schlüssel zu meinem „Hintertürchen“ kann ich mir hier getrost sparen.

Anja Wagener (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Unterstützung geben

Schon vor einigen Wochen habe ich von einer Freundin einen Film empfohlen bekommen. „Der Junge, der den Wind einfing“. Basierend auf einer wahren Geschichte wird in dem Film erzählt, wie es einem Jungen aus Malawi gelingt, nachdem er die Schule aus finanziellen Gründen nicht mehr besuchen kann, sich selbst Wissen anzueignen und dieses in praktischen Nutzen umzusetzen. Er baut ein Windrad, mit dem er dringend benötigten Strom erzeugt. Nun kam ich endlich dazu, den Film zu sehen.

Als ich beobachtete, wie der Junge auch in den widrigen Zeiten die Gelegenheit nutzte, um in der einfachen Schulbibliothek alleine zu lernen, dachte ich plötzlich darüber nach, dass es im Moment viele Gebiete in der Welt gibt, die eigentlich unsere Aufmerksamkeit verdient hätten. Wir können diese im Moment nicht so wie in anderen Zeiten geben, da wir mit eigenen Problemen und Fragestellungen konfrontiert sind.

Um so mehr Freude macht es zu sehen, wie in dem Film gezeigt wird, dass „die Saat“ von Wissen und Bildung, kombiniert mit dem Mut des Versuchs von Erfolg gekrönt wird. Ich finde solche Menschen toll. Menschen, die uns Mut machen. Besonders freut mich zu wissen, dass es diese Menschen nicht nur irgendwo, sondern auch bei uns gibt. Menschen mit Ideen und Tatkraft. Alle diese Menschen brauchen, egal ob in Malawi, Deutschland oder anderswo, Unterstützer. Und da kommen wir ins Spiel. Denn das wird in dem Film auch erzählt. Es sind die anderen Menschen, die es auch braucht, um diese Ideen und diese Tatkraft zu ermöglichen. Geben wir ihnen die Aufmerksamkeit und Unterstützung, die sie benötigen!

Günter Eiserfey (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Das große Ungenannte

„Der, dessen Name nicht genannt werden soll…“ In der Welt von Harry Potter wollen Menschen so ihre Angst vor dem Bösen kontrollieren – obwohl jeder weiß, wer gemeint ist. (Wer nicht, lese es nach.) Vom durchaus eigensinnigen Philosophen Immanuel Kant hingegen wird erzählt, dass er eines Tages seinen treuen Hausdiener Lampe entlassen hatte. Er wollte die Trennung so grundlegend vollziehen, dass er sich notierte: „Der Name Lampe muss nun völlig vergessen werden.“ Der Erfolg darf kritisch hinterfragt werden. Viele andere Ungenannte könnten ihre Geschichte hier erzählen: Rumpelstilzchen. Oder auch Gott („Jehova“). Neuerdings gehört auch dieses Virus dazu. Formulierungen wie „In Zeiten von…“ oder „Der Kampf gegen…“ schleichen sich in fast jeden Text, viele winken dann schon genervt ab. Andere sagen ausweichend nur „die Krise“. Wieder andere wollen es am liebsten gar nicht wahrhaben. Fakt ist aber: an der Krankheit, die nicht genannt werden soll, führt immer noch kein Weg vorbei. Also müssen wir da durch: Corona ist ebenso legendär wie gefährlich. Aber auch viele Folgen des Lockdown wirken beängstigend. Und der Wunsch, wieder über andere Themen zu sprechen, ist nachvollziehbar. Wenn wir nun versuchen, langsam zum Alltag zurückzukehren sollten wir eine gute Mischung finden, die Gefahr beim Namen zu nennen ohne ihr zu erlauben, alle Lebensbereiche zu vergiften. Wenn wir ihr mit respektvoller Gelassenheit statt mit absurden Theorien begegnen, haben wir bald auch wieder Sinn für all die anderen wichtigen Themen, die hier gerade nicht genannt werden können.

Markus Krieger (Evangelischen Kirchengemeinden Bechtolsheim, Bibelnheim, Ensheim und Spiesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Zwischen-Zeit

Letzte Woche ein Feiertag, für manche ein verlängertes Wochenende; die einen (müssen) arbeiten, die anderen haben frei, andere würden gern mehr arbeiten, wieder andere haben keine Arbeit mehr. Und nächstes Wochenende ein Doppelfeiertag; und wir sind mittendrin zwischen diesen beiden zusätzlichen Feiertagen. Wie die Jünger damals „zwischendrin“ waren zwischen den beiden Ereignissen Himmelfahrt und Ausgießung des Heiligen Geistes.

Jesus war körperlich nicht mehr bei Ihnen, aber hatte ihnen den Geist verheißen, der erst an Pfingsten kommen sollte. Sie wussten nicht, was genau kommen würde, mussten ausharren, hatten aber Hoffnung. Auch wir sind in einer Art „Zwischen-Zeit“: Der große „Lockdown“ ist vorbei, aber die ganz große Lockerung ist noch nicht da. Auch wir wissen nicht, was noch kommt, sind aber in einer gespannten, hoffnungsvollen Erwartung. Und diesen Vorgang können wir sogar positiv mitgestalten: Heute beginnt die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Einheit: Klingt immer gut; besser als Zwietracht.

Und beten, bitten: Das können wir alle gebrauchen; jede(r) hat Wünsche, die er Gott vortragen kann. Dr. Martin Luther beendet in seinem täglichen Morgen- und Abendsegen seine Wünsche an Gott wie folgt: „Dein Heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir finde!“ Ein guter Wunsch, nicht nur für die Zwischenzeit.

Mathias Engelbrecht (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Himmelsblick

Kinder geben einen anderen Rhythmus vor

Gerade erst ist er vorbei, dieser wunderbare Doppelfeiertag. Für die einen ist es der „Vatertag“ für andere „Christi Himmelfahrt“. Ich denke, diese beiden Feste passen gut zusammen, und es lohnt sich, diesen Feiertag noch etwas nachklingen zu lassen.

Wenn Väter ihre Vaterschaft feiern, meinen ja viele, dass sie da zwar an alles Mögliche denken, nur nicht an ihr Vatersein. Aber dem ist nicht so. Väter sind meist beglückt über ihre Kinder, stolz, ausgesprochen oder nicht. Und die Kinder sind für viele ein Blick in den Himmel, sozusagen ein Spalt, um von unserer Welt in eine ganz andere zu schauen. Kinder geben einen anderen Rhythmus vor, bleiben zum Beispiel plötzlich stehen und schauen zum Himmel. Dieser Blick lohnt sich. Gerade im Moment. Meist haben wir ja strahlend blauen Himmel, keine Flugzeuge, nur diese Schönheit. Für einen Moment nicht nach vorne schauen, nichts planen, einen Blick in die Unendlichkeit riskieren und sich betören lassen von diesem unglaublich großen Raum, der da über uns und um uns ist. Und der Himmel ist nicht nur dieser wunderbare Raum, noch weniger einfach nur ein Ort, er ist die lebendige Spannung zwischen Menschen, und für viele ist er auch die lebendige Spannung zwischen Menschen und ihrem Schöpfer.

Stefan Hohmann (Caritasdirektor) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Ansteckende Lebenslust

Den englischen Film „Billy Elliot“ haben meine Frau und ich schon vor 20 Jahren gesehen, manche kennen ihn vielleicht. Ein Junge aus einer englischen Bergarbeiterfamilie entdeckt für sich, wie sehr ihn statt des verordneten Boxtrainings das klassische Balletttanzen fasziniert. Für seinen Vater ist so etwas aber undenkbar, und er verbietet dem Sohn, dieses Ziel weiter zu verfolgen. Es kommt, wie es kommen muss: Der Sohn gibt seinen Traum nicht auf, setzt sich durch, und am Ende erkennt der Vater, was seinem Sohn dieses Tanzen bedeutet.

Dieser anrührende Film begegnete mir als Schulpfarrer wieder im digitalen Religionsunterricht. Seit Wochen geschieht das „Homeschooling“ nun unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Ich schicke meinen Schülern per Mail ihre Aufgaben, und sie senden mir die Ausarbeitungen zurück. Ich bin erstaunt, wie verlässlich die Antworten bei mir eingehen. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet.

In der 7. Klasse waren „Lebensträume“ das Thema. Wir hatten die Josefsgeschichte aus dem Alten Testament besprochen und dass in dieser Geschichte Träume eine besondere Rolle spielten. Was in Josefs Leben zu Tiefpunkten führte, wurde mit Gottes Hilfe doch noch zum Guten gewendet. So hatten es die Jugendlichen kennengelernt. Nun sollten sie selbst kreativ werden. Die Aufgabe war, nach einer Vorlage ein eigenes Gedicht zu eigenen Lebensträumen zu schreiben.

Ein Mädchen nahm dabei die alte Filmgeschichte von Billy Elliot auf. Sie schreib: „Tanzen! Nur tanzen. Das ist das einzige, was er will. Doch sein Vater sagt: Das ist nur etwas für Mädchen. Er verbietet es. Doch die Musik. Wenn sie startet, ist er nicht aufzuhalten. Die Musik. Sie lenkt seinen Körper. Er ist wie Feuer.“

Und auf einmal ist es nicht nur eine erledigte Hausaufgabe, auf einmal scheint die ganze Energie und Lebensfreude eines jungen Menschen auf, wenn er seinen Text schreibt. Da ist all das, was rausgehen soll und was sich ausdrücken will. Mich bringt dieser Text zum Lächeln. Da ist die Lebenslust von ihr und von den Mitschülern, von der ich mich gerne anstecken lasse, auch wenn ich zugleich darum weiß, dass derzeit gerade die Vorsicht und das Zurücknehmen uns gut tun. Und zugleich ist es diese Lebensenergie, die ansteckend ist. Gerade in dieser so anderen Zeit. Der Text geht dann so weiter: „Er liebt das Tanzen. Diese Liebe überzeugt seinen Vater. Er darf. Er darf vortanzen. Und er wird genommen.“ Das ist „Billy Elliot“ mit 13 Jahren in der Corona-Zeit.

Andreas Schätzel (Schulpfarrer am Rudi-Stephan-Gymnasium Worms) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Sohn-Vatertag

Ein freier Tag, wie schön! Zu verdanken haben wir ihn unserer christlichen Tradition; er soll erinnern an das Auffahren des Sohnes zum Vater, nachdem Jesus 40 Tage als der Auferstandene bei den Menschen lebte. Er ist in den Himmel aufgefahren zum Vater, mit dem er eins war und weiter sein wird.

Ich erinnere mich an gut besuchte Gottesdienste im „Wäldchen von HaWei“ (Hangen-Weisheim); oft mit Taufen; oder an die Einführung der Konfirmanden in Nieder-Saulheim. So wie in den vergangenen Jahren können wir zwar in Corona-Zeiten nicht feiern, auch nicht in der Geselligkeit wie gewohnt. Aber es entwickeln sich andere Formen, und Fröhlichkeit ist auch anders möglich. Entscheidend ist, dass die Zusage Jesu unabhängig von den jeweiligen Zeiten Bestand hat: „Ich will euch senden den Heiligen Geist“, was wir dann zehn Tage später am Pfingst-Doppelfeiertag feiern dürfen.

Dieser Geist befähigt uns, auch die Leidenden und Armen nicht aus dem Blick zu verlieren. Im Losungsbüchlein lesen wir am heutigen Tag: „Der Gerechte erkennt die Sache der Armen.“ Und Bonhoeffer formuliert es so: „Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“ Gut, dass uns Gottes Geist in diese Richtung ziehen will; vielleicht ja auch in die Auto-Gottesdienste, zum Beispiel morgen um 10 Uhr auf dem Parkplatz vor der Neubornhalle in Wörrstadt?

Mathias Engelbrecht (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Die Zeit hat nicht stillgestanden

„Mittlerweile kann er stehen und den Küchenschrank ausräumen. Hoffentlich sehen wir uns jetzt bald einmal.“ Diese Zeilen, zusammen mit einigen Bildern, erreichen mich per WhatsApp. Sechs Großneffen haben mein Mann und ich im vergangenen Jahr geschenkt bekommen. Zuerst wollten wir die jungen Familien nicht mit unserem Besuch überfallen, dann kam der eine oder andere Termin, Weihnachten, eine Krankheit und dann Corona. Und damit konnten wir einander nicht mehr besuchen.

Dafür gingen Briefe und Päckchen hin und her, Bilder und Videos digital. Wenigstens das. Wir haben miterleben dürfen, wie sie in den wenigen Wochen gewachsen sind und jetzt schon erste Schritte machen. Und plötzlich wird einem klar: Das waren und sind doch einige Wochen, eine ganze Zeit im Jahr und im Leben, in der wir einander nicht besuchen können. Die Zeit hat nicht stillgestanden, auch wenn wir manches Mal das Gefühl hatten. Aus Babys wurden Kleinkinder, und wir alle wurden älter. Menschen wurden krank, sind gesundet, hatten Geburtstag oder diamantene Hochzeit, haben das Haus renoviert oder in alten Fotos geblättert. Menschen wurden geboren und andere starben. Und wenn sich auch unsere kleinen Neffen später nur noch durch die Erzählungen ihrer Eltern von diesen Monaten wissen können, werden wir uns alle noch lange daran zurückerinnern: An diese andere Zeit in unserem Leben.

In der Bibel heißt es: Alles hat seine Zeit. Manche Zeit überrascht uns und fordert uns heraus. Das wusste schon der Prediger Salomo, und das erleben wir gerade.

Die Osterhasen haben wir per Post auf den Weg gebracht, vielleicht gelingt es uns ja zu Pfingsten, einen Strauß Pfingstrosen persönlich zu übergeben. Das wäre schön. Vielleicht läuft uns einer von den Sechsen ja schon entgegen. Die letzten Monate gingen eben nicht spurlos an uns vorüber.

Susanne Schmuck-Schätzel (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Mit Gottes Hilfe

Du schaffst das!“ Immer wieder mal höre ich diesen Satz, und ich spüre dann, wie liebe Menschen mir mein Vorhaben zutrauen und daran glauben, dass alles glückt. Dieser Zuspruch tut gut, er bestärkt und lässt gelingen!

Aber was ist, wenn ich mir diesen Satz selbst zuspreche? „Du schaffst das“, sage ich mir dann im Stillen. Nur, warum soll mein Vorhaben jetzt gelingen? Welche Bedingung hat sich für mich durch dieses selbst zugesprochene Wort geändert? Ich würde sagen: Keine! Da ist nichts, was mir von außen zukommt, was mich aufrichtet, meine Haltung ändert. Ich bin nach wie vor auf mich selbst geworfen, stehe allein da. Von nichts kommt nichts! Aber wenn ich stattdessen sage: „Mit Gottes Hilfe!“ Was ändert sich dann? Einiges! Denn ich entziehe mich dem selbstauferlegten Zwang – „Das muss jetzt aber klappen“ – und bitte Gott um Beistand, Hilfe und Zutrauen. Gott kommt mir von außen zu und ich spüre: Ich bin „stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke“ (Epheser 6,10). Du schaffst das!

Eric Kalbhen (Evangelische Kirchengemeinden St. Johann, Wolfsheim und Zotzenheim-Welgesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Akzeptieren aus Vernunft

Habe ich den Schlüssel? Brauche ich einen Regenschirm? Ach, und auch noch das Mittagessen fürs Büro! Vielleicht auch noch eine Strickjacke, es ist ja doch kühl in den letzten Tagen. Ein ganz normaler Morgen, an dem ich aus dem Haus gehe.

Am Gartentor fällt es mir dann aber wieder ein. Ich habe etwas vergessen. Die Maske. Gestern Abend habe ich sie gewaschen, hoffentlich ist sie trocken. Wenn nicht, muss ich eine andere nehmen.

Etwas Neues nimmt wie selbstverständlich Einzug in unsere Taschen. Die Masken gehören mittlerweile zu den Selbstverständlichkeiten, die man mit sich führt. Manche baumeln am Autospiegel, blitzen aus der Jeanstasche, und bei den meisten hängen sie um den Hals, wenn sie nicht gerade gebraucht werden. Wie schnell das gegangen ist, dass sie in unseren Alltag Einzug genommen haben. In wenigen Wochen sind sie für manche schon zu einem Modeartikel geworden.

Da soll mal einer sagen, wir seien nicht flexibel. Wir gewöhnen uns an so manche Neuerung in dieser Zeit, wohl oder übel. Und doch fällt uns auch manches schwer zu ertragen. Nach Wochen, in denen man sich nur per Videokonferenz sah, steht man sich in der Stadt plötzlich gegenüber. Aber immer auf Abstand! Kein Umarmen, kein Händedruck! Muttertag, Omatag! Endlich kommen Generationen wieder zusammen. Der Fünfjährige fällt der Oma um den Hals und gibt ihr schnell einen Kuss! Und schon hat er ein schlechtes Gewissen.

Die Eltern haben ihm noch im Auto gesagt, dass er das nicht darf, weil er die Oma schützen soll! Keine Geste der Zuneigung, kein Kuss, keine Berührung, ob wir uns daran gewöhnen können? Ob wir so flexibel sind?

Ob wir uns daran gewöhnen wollen? Ich denke nicht. Wir müssen dies jetzt aus Vernunft akzeptieren, können aber darauf hoffen und es uns wünschen, dass es sich wieder ändert, dass in unserem Alltag neben und trotz Masken Nähe zu Menschen vielfältig gezeigt werden kann, auf welche Weise auch immer.

Susanne Schmuck-Schätzel (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Fairplay sieht anders aus

„Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“ Allein schon die Aussichten auf solch denkwürdige Fußballerzitate wie dieses von Jürgen (Kobra) Wegmann rechtfertigten für mich einen Bundesliganeustart. Auch ein Zitat von Bill Shankly bleibt neben seinen Leistungen als Trainer des Liverpooler FC legendär: „Es gibt Leute, die denken, Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.“ 

Ob Bill Shankly das in Zeiten von Corona noch so sagen würde, bleibt offen. Die große gesellschaftspolitische Bedeutung von Sport und insbesondere die von Fußball würde Shankly natürlich trotzdem und gerade jetzt hervorheben. Zumal seine Erfolge als Trainer auf seine Fähigkeit zurückgeführt werden, den Zusammenhalt auf und neben dem Platz zu stärken. So gesehen, gibt es also viele gute Gründe, die Bundesliga endlich wieder starten zu lassen.

Weit mehr gute Gründe gibt und gäbe es allerdings, Familien einen Neustart zu ermöglichen und Eltern, Großeltern, Kindern und Enkelkindern so schnell wie möglich wieder den Kontakt zu ermöglichen – bspw. mit ausreichend Tests und Schutzartikeln. Fairplay sieht für mich an dieser Stelle anders aus und eine Eintracht neben dem Fußballplatz wäre mir lieber gewesen.

Mirko Webler (Evangelische Kirchengemeinden Badenheim/Pleitersheim mit Pfaffen-Schwabenheim und Hackenheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Puls in Balance bringen

Endlich wieder anderen Menschen begegnen, den Vertrauten ebenso wie den Fremden, hier und anderswo. Das lässt mich aufatmen! Schließlich habe ich in der jüngsten Vergangenheit lernen müssen, mich in einem festgelegten Umfeld zu bewegen. Der Rahmen ist gesetzt, und ich tariere aus, wo was wann möglich ist. Es ist ein Ringen danach, endlich wieder das eine zu tun und das andere zu lassen. Dabei nehme ich eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem wahr, die atemlos macht. Nicht wenige geraten außer Puste vor Sorgen, Ängsten und Fragen. Zeit ist nötig, um den Puls in gemessene Balance zu bringen.

Unsere Demokratie und unsere Grundrechte sind ein hohes Gut. Der Einsatz zu deren Bewahrung und Sicherung lohnt sich, denn die demokratischen Werte bewähren sich immer wieder aufs Neue. Auf eine nahezu lebensbedrohliche Bewährungsprobe wurden sie gestellt. Für diejenigen, die in ihren Bemühungen um Gesundheitserhaltung einerseits und Eindämmung wirtschaftlicher Schäden andererseits Entscheidungen treffen, gilt es, einen wissenschaftlich fundierten Diskurs zu führen, um heute nachhaltige und wirksame Maßnahmen einzuleiten und deren Konsequenzen für morgen zugleich abschätzen zu können.

Eine Krise, wie wir sie derzeit erleben, ist geprägt von einer enormen Dynamik in nahezu allen Lebens- und Arbeitswelten. Manche Fernsehbilder erschrecken mich, und mir will scheinen, diese Krise hetzt uns nicht nur, sondern wird für das selbige genutzt. Für uns gilt es, auch weiterhin einen behutsamen und achtsamen Umgang miteinander und füreinander zu üben. Die Angst, vermeintliche Sicherheiten zu verlieren, wenn wir gewohnte Verhaltensweisen verändern, ist ein schlechter Berater; ebenso die Versuchung, sich verleiten zu lassen von wie auch immer gearteten Extremen. Für eine weitreichende Verbesserung des gesellschaftlichen, bildungspolitischen und wirtschaftlichen Lebens geht es letztlich um eine Solidarität, die viele Lebens- und Arbeitsbereiche umfasst; es geht um eine Solidarität der respektvollen Achtsamkeit, die nicht allein an das eigene unmittelbare, greifbare Umfeld denkt, sondern insofern „Grenzen-los“ ist.

Mit unserer christlichen Verantwortung stehen wir in der Welt mit ihrem Geschehen, nicht außerhalb von ihr, sodass der christliche Glaube sich als eine Antwort auf existenzielle Fragen unserer Zeit erweisen kann. Mit bedachtem Mut und mutiger Achtsamkeit sollten wir uns den herausfordernden Aufgaben der gegenwärtigen Phase in der Corona-Zeit stellen. Dazu braucht es einen langen Atem, um wirksame Verbesserungen und eine Stabilität der gesundheitlichen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Verhältnisse zu erreichen.

Annette Stegmann (Evangelische Kirchengemeinden Albig und Heimersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Vom Stemmen schwerer Brocken

Erst einige Tage ist es her, da sind die ersten Schüler und Schülerinnen wieder in die Schule gegangen. Das Leben in den Innenstädten nimmt an Fahrt auf, wir dürfen unter Auflagen wieder in die Eisdiele oder zum Italiener, die ersten Menschen haben schon wieder eine Frisur oder haben sich zu einem Gottesdienst aufgemacht. Das Muss, dem Alltag zu entfliehen, es langsam angehen zu lassen, lockert sich.

Ich erinnere mich an Sisyphos. In dem Mythos von Sisyphos wird erzählt, dass er dazu verurteilt wurde, einen Felsblock einen Berg hinauf zu wälzen, von dessen Gipfel der Stein dann wieder herunterrollt. Sisyphos findet nach jedem Abstieg die Kraft, den Stein erneut auf den Gipfel zu stemmen. Wir haben den „Stein Corona“ ganz erfolgreich auf den Berg gestemmt. Nun hoffen wir, dass er nicht so schnell wieder ins Tal rollt und alles von vorne beginnt. Dieser Stein musste von uns gemeinsam gestemmt und nun gehalten werden.

Immer wieder werden uns in unserem Leben Steine in den Weg gelegt, immer wieder landen wir in der Talsohle. Jede und jeder von uns stemmt seinen und ihren Stein Richtung Gipfel – und immer wieder entgleitet er uns, müssen wir von vorn beginnen. Mythen konfrontieren uns mit zeitlosen Erfahrungen!

In der Bibel wird berichtet, dass der Prophet Samuel einen Stein nahm, ihn aufstellte und Eben-Ezer, das heißt Stein der Hilfe, nannte. Er sprach: Bis hierher hat uns Gott geholfen. Er wusste, ein solcher Gedenkstein kann uns erinnern, dass wir mit Gottes Hilfe schon so manchen Stein auf den Gipfel gestemmt haben. Und so kann aus Dankbarkeit gestemmter Steinbrocken Zuversicht wachsen für die Zukunft, für das Stemmen all der Brocken, die sich uns in Zukunft in den Weg legen, denn „bis hierher hat uns Gott geholfen“!

Andrea Beiner (Evangelische Kirchengmeinden Eppelsheim, Dintesheim, Flomborn und Ober-Flörsheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Träume im Sand

Als klar war, dass unser Sohn nicht wie geplant in der Kita eingewöhnt wird, haben wir noch schnell einen Sandkasten besorgt. Eine gute Investition. Den ganzen April über schien die Sonne und das Kind war glücklich. Mit Schaufel und Gießkanne bewaffnet, zieht er seine Kreise im Garten. Gänseblümchen werden entdeckt, der Sand großzügig verteilt. Blumen, Wiese und Eltern werden beschenkt. Dies sind die guten Erinnerungen an die Krise, die ich mitnehmen werde.

Die Liedzeile:„Mit der Erde kannst du spielen, spielen wie der Wind im Sand und du baust in deinen Träumen dir ein buntes Träumeland.“(EGPlus137) nimmt dieses Gefühl auf. Gut, wenn wir noch bauen und träumen können. Schwerer ist es für Menschen, die unter ganz anderen, beengten Zuständen leben müssen. Familien im Ausnahmezustand, am Rande ihrer Kräfte. Kinder in Notlagen.

Der Gedanke an sie macht mich hilflos und schmerzt. Ich bringe sie vor Gott.

Wir haben auch nicht nur sonnige Gartenzeiten mit Kind zuhause im Homeoffice.

Dazu fehlt Kontakt zu anderen Kindern, Austausch mit anderen Eltern, Freund*Innen und Familie.

In meinem Nach-Corona-Träumeland, da sieht alles anders aus. Es ist nicht einfach alles wie vorher. Wir werden etwas mitnehmen aus dieser Zeit – einen neuen Blick bekommen füreinander.

Offener sein, angstfreier. Voller Freude, dass wir uns wieder nah sein können.

Fürsorgend und mit Träumen im Gepäck, bauen wir dann eine neue Zeit.

Anke Feuerstarke (Evangelische Kirchengemeinden Gau-Weinheim, Wallertheim und Gau-Bickelheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Neues Denken

Nach vorne in eine andere Normalität

Die Maßnahmen werden gelockert und ein Museum beginnt Corona-Artefakte zu sammeln, bevor sie wieder verschwunden sind: Bilder und Plakate, Kurioses und Alltägliches, Ausdruck von Ängsten, Sorgen und Fragen. Wenn wir erst einmal durch sind, dann wollen wir doch wenigstens festhalten, wie das damals war: Der Kampf ums Klopapier, die Suche nach Mehl, die Frisuren ohne Frisör, die selbstgenähten Masken …. Es scheint nichts Wichtigeres zu geben, als den Zustand vor Corona wieder zu erreichen. Das „Jetzt“ ist schwer erträglich. Das „Früher“ erscheint so gut. Also schnell umkehren zu dem, was war. Haben wir denn die Bedrohung unserer Existenz durch den Klimawandel schon vergessen? Haben wir vergessen, dass das „Früher“ ein Wald-, Arten-, Bienen-, und Insektensterben ausgelöst hat? Wollen wir wirklich dorthin zurück, wo wir unsere Lebensgrundlage zerstört haben? Ich will nach vorne in eine neue und andere Normalität. Ich will hinein in ein neues Denken und ein neues Verhalten. Und ich bin davon überzeugt, dass Jesus Christus das Neue in mir möglich macht: Verzicht und Nachhaltigkeit, Rücksichtnahme und Achtsamkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Lasst uns ein Zeichen setzen für eine neue Welt nach Corona. In die alte will ich nicht zurück!

Frieder Wiener (Evangelische Stadtmission Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung


Mit großer Freude aber ohne Gesang

Jubilate“ und „Kantate“. So lauten die lateinischen Namen der beiden Sonntage des Kirchenjahres, zwischen denen diese Woche eingebettet ist.

„Jubilate“ – aus dem Lateinischen übersetzt: „Freuet euch!“

Menschen aus unseren Gemeinden erzählen mir von ihrer Freude darüber, dass bald wieder Gottesdienste stattfinden können. Nach Wochen des Schöpfens aus den virtuellen Kraftquellen des Internet und des Fernsehens ist die Freude groß. Endlich können wir wieder die Frohe Botschaft in einer leibhaftigen Gemeinschaft hören und feiern, können wir wieder miteinander beten – und singen …

Doch, halt! „Kantate“, zu Deutsch: „Singet!“ Ausgerechnet das Singen wird tabu sein in unseren Gottesdiensten! Und das ist nur eine der Einschränkungen, die zu dieser Zeit der Corona-Pandemie zum Schutz vor Infektionen vorgegeben sind. Hinzu kommt der auch sonst übliche Sicherheitsabstand von Mensch zu Mensch, Maskenpflicht und und und …

Keine Frage: Es werden andere Gottesdienste sein, die wir ab dem kommenden Sonntag feiern. Einiges wird uns vertraut und lieb sein, anderes neu und interessant, sehr wahrscheinlich auch befremdlich erscheinen.

Auf dem Weg ins Ungewisse, vom Sonntag „Jubilate“ zum Sonntag „Kantate“ im Corona-Jahr 2020, begleitet mich ein Wort Jesu, das schon seine Jünger auf dem Weg mit vielen ungeklärten Fragen ermutigt und gestärkt hat: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ (Johannes 15, 5)

Jesus ist mit uns verbunden, auch wenn wir nicht oder nur wenig singen. Darum: Freuet euch!

Eric Bohn (Evangelische Kirchengemeinden Weinheim, Offenheim und Erbes-Büdesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Bewusster wahrnehmen

Zum Ende des Ersten Weltkriegs wütete in Europa und Amerika die Spanische Grippe, sehr viele Menschen fielen ihr zum Opfer. So habe ich dies vor langer Zeit im Geschichtsunterricht gelernt. Das Wissen ist dann weit nach hinten gerutscht, weil ich in meinem Alltag keine Verwendung dafür hatte. Vieles andere war wichtiger.

Vor wenigen Tagen habe ich ein Buch über die Spanische Grippe gelesen, geradezu in einer „Nachtlesung“ verschlungen, erschien es doch aktueller denn je. Die Sache beschäftigt mich seitdem. Ich unterhalte mich mit Menschen darüber und lese Artikel dazu im Internet. Dabei fällt mir auf, wie oft ich auf dieses Thema stoße.

So geht es mir in diesen Tagen aber auch mit anderen Themen, die in meinem sonstigen täglichen Ablauf keinen Platz haben. Ich höre bewusst einen Bericht über den Verlauf von Covid-19 in Ecuador im Radio, weil ich jemanden kenne, der von dort kommt, hier gewissermaßen gestrandet ist und solange bleiben muss, bis er zu Hause wieder einreisen kann. Ich schaue nach, wo bestimmte Orte in Italien liegen, von denen ich vorher nie etwas gehört habe. Und ich freue mich mit wildfremden Kindern in Madrid, die seit Wochen das erste Mal wieder länger an die frische Luft dürfen. Und über Fledermäuse habe ich in den vergangenen Wochen auch ganz viel gelernt.

Ich vermute, so geht es uns allen. Wir beschäftigen uns mit Themen in dieser „anderen Zeit“, von denen wir nicht einmal ahnten, dass sie uns einmal interessieren würden. Neben allen Einschränkungen weitet sich damit auch etwas in uns: Die Wahrnehmung für alles, was um uns herum ist. Hoffentlich auch für die Menschen um uns, von denen wir vor wenigen Wochen noch nicht wussten, dass sie neben uns wohnen. Und hoffentlich rutscht uns allen dieses Interesse an der Welt und den Menschen im – neuen – Alltag nicht wieder ganz nach hinten

Susanne Schmuck-Schätzel (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Mein Freund Hermann

Bei uns waren alle willkommen. Nur bei einem Freund, rollte meine Mutter die Augen. Er hieß Hermann, sagte sein Namenschild. Er stand am liebsten in der Küche und wollte gefüttert werden. Hermann war ein Sauerteig. Sauerteig ist lecker. Und faszinierend. Aber er macht Arbeit. Leise hofften wir, wenn wir diesen teiggewordenen Kettenbrief weitergaben, er käme niemals wieder. Es war ein frommer Wunsch. Der Sauerteig erlebt gerade seinen zweiten Frühling als gern gesehene Alternative für das täglich Brot aus Hefe. Schon Jesus nutzte ihn als Gleichnis: „Das Himmelreich ist wie ein Sauerteig. Wenn man ihn unter Mehl mengt, durchsäuert er alles.“ (Mt 13,33) Das ist ein schönes Bild. So ein Himmel tut der der Welt und den Menschen gut, mit Liebe und Wärme lässt er sie aufgehen. Doch dem Himmel fehlt nicht viel zum Schimmel. Auch ein Schimmelpilz kann einen ganzen Teig durchziehen. Aber er verdirbt ihn. Bei Hermann trat dieser bevorzugt an den äußeren Rändern auf, wenn man nicht gut rührte. Als Bild für unsere Gesellschaft muss das aufhorchen lassen. Ungenießbare Gedanken breiten sich aus, die seit 75 Jahren totgeglaubt waren. Es liegt an uns, Hermann zu pflegen, damit alle gesund bleiben. Dazu braucht es nicht viel: ein weites Herz, wärmende Zuwendung – und ganz viel Geduld.

Markus Krieger (Evangelische Kirchengemeinden Bechtolsheim, Bibelnheim, Ensheim und Spiesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Dankbar für das früher gelernte

Sie steht ganz hinten unten im Kleiderschrank, zwei Jahrzehnte unbenutzt – meine Nähmaschine. Ich hole sie hervor, räume meine theologischen Bücher und meinen Laptop ins Regal und stelle sie auf meinen Schreibtisch. Ob ich es wohl noch kann? Als Kind habe ich meiner Mutter immer abends beim Nähen in der Küche zugesehen. Es war kein Hobby von ihr, sondern notwendig, weil das Geld knapp war.

Wie sehr hatte ich mir einfach mal eine Jeans aus einem normalen Laden gewünscht anstelle der selbstgenähten Sachen. Erst viel später habe ich diese zu schätzen gelernt und war froh, zu Hause und in der Schule Nähen gelernt zu haben – und heute bin ich es wieder.

Wieder geht es nicht um eine Freizeitbeschäftigung, sondern darum, etwas zu nähen, was wir im Moment nur schwer kaufen können: einen Mundschutz. Und los geht es: zuschneiden, abstecken, nähen. Ich bin erstaunt. Es ist wie Fahrradfahren, man verlernt es nicht.

Als ich den ersten Mundschutz in der Hand halte spüre ich Dankbarkeit. Dankbarkeit für all das, was ich von meinen Eltern und Großeltern gelernt habe, nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch.

Dazu gehört auch, dass sie vor und nach getanem Tagwerk ihrem Schöpfer für alles dankten, was sie zum Leben brauchten: Essen, Trinken, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Ein Erbe, das ich als großes Geschenk empfinde, gerade in dieser anderen Zeit.

Und es kommen mir die Worte des Psalmisten in den Sinn: „Was wir hörten und erfuhren, was uns die Väter erzählten, das wollen wir ihren Kindern nicht verbergen, sondern dem kommenden Geschlecht erzählen.“ (Ps 78,3-4)

Tanja Martin (Evangelische Kirche Eckelsheim und Wendelsheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Die Reset-Taste drücken

Wenn nichts mehr geht, dann hilft nur noch eins: die Reset-Taste drücken! Damit leite ich dann einen Vorgang ein, der das Betriebssystem meines Computers in den Anfangszustand versetzt. Manchmal ist das sinnvoll, wenn das System – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr funktioniert.

Doch nun ist mein Finger ganz nahe an der Reset-Taste, berührt sie gewissermaßen schon, fühlt sie schon…

Das ist meine Erfahrung als Gemeindepfarrerin: Nichts ging mehr in den zurückliegenden Wochen. Sinnvoll war dieses Nichts, es war auch zweckmäßig. Allmählich kommt manches wieder in Gang, startet langsam, erscheint einiges wieder auf dem Monitor. Bis wir alles auf dem Schirm wiederhaben, das dauert. Es erfordert uns gar manches ab an Zeit und Geduld, bis das Betriebssystem selbstverständlich läuft. Schließlich soll das Ganze nicht wieder abstürzen.

Eine Fülle an Kreativität und digitaler Möglichkeiten nutzen wir, um unseren christlichen Glauben gemeinsam getrennt zu leben. Dennoch fehlt mir der persönliche Kontakt, das Gespräch mit einem Menschen, der mir gegenüber ist, das gemeinsam praktizierte Geschehen des Gottesdienstes, in dem wir unserem christlichen Glauben Gestalt geben.

Wir wollen zu Gottesdiensten zusammenkommen. Dabei sind wir noch weit davon entfernt, diese in der uns gewohnten und vertrauten Weise miteinander zu feiern. Viele Dinge sind für den Neustart zu berücksichtigen. Die Vorbereitungen dazu sind in vollem Gange: Desinfektionsmittel sind bestellt, eine Vielzahl von Hygienemaßnahmen ist umzusetzen. Dinge, an die wir zuvor nicht gedacht hätten, gilt es zu berücksichtigen. Da stehen mit einem Male Fragen und Aufgaben an, die wir bislang nicht im Blick hatten.

Wir überlegen miteinander und tauschen uns aus – auf digitalem Wege versteht sich – welche Problembehandlungsprogramme uns zur Verfügung stehen. Wir beginnen neu, anders als gewohnt und üblich und vertraut.

Wir sind dran… , denn wie gesagt: Ganz nah ist der Finger an der Reset-Taste, berührt sie gewissermaßen schon…

Annette Stegmann (Evangelische Kirchengemeinden Albig und Heimersheim) für die christlichen Kirchen Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Solidarisch

Nach Corona gibt es viel aufzuarbeiten

Zum ersten Mal seit 1947 gab es am Tag der Arbeit keine Kundgebungen und keine Mai-Feiern. Als Betriebsseelsorger ist mein Platz an diesem Tag bei einer der Kundgebungen. Durch Corona ist das in diesem Jahr anders. Der Slogan der Gewerkschaften: „Solidarisch ist man nicht alleine!“ In einem digitalen Livestream waren Ansprachen, Interviews und Solidaritätsbotschaften zu verfolgen. Auch die Kirchen gehen unter den veränderten Bedingungen neue Wege. Es gibt Online-Gottesdienste, virtuelle Gemeindetreffs usw. Ich beispielsweise telefoniere viel mehr als früher und versuche so, mit Betriebs- und Personalräten in Verbindung zu bleiben. Diese sind in den Betrieben meist die ersten Ansprechpartner, wenn Arbeitnehmer sich Sorgen über ihre Zukunft machen. Beileibe nicht alle können im Homeoffice arbeiten und „dürfen“ ihre Kinder betreuen und bei deren Hausaufgaben helfen. Viele, die im Gesundheitswesen, in Alten- und Pflegeheimen, bei der Müllabfuhr oder bei Speditionen allzu oft unter schlechten Bedingungen und zu niedrigen Gehältern tätig sind, werden plötzlich zu „Helden des Alltags“. Nach Corona gibt es sehr viel aufzuarbeiten, neu zu bewerten und vielleicht auch anders zu machen. Gewerkschaften und Kirchen bleiben dran an den Sorgen und Nöten der Menschen, bringen sie jeder auf seine Weise ins Gespräch, tragen sie solidarisch mit und setzen sich für gute Bedingungen ein. Livestreams zum Tag der Arbeit können, genauso wie die Online-Gottesdienste vor leeren Kirchenbänken, nur digitale Notbehelfe sein. Setzen wir uns für eine solidarische Gesellschaft, für Demokratie und Wohlfahrt aller ein!

Hans-Georg Orthlauf-Blooß Betriebsseelsorger Katholische Kirche in Rheinhessen) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Wie lieblich ist der Maien

Dieses Lied kennen wir auch von Konfirmationen: „Wie lieblich ist der Maien, aus lauter Gottes Güt‘; des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid‘; die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud!“ Was für ein Gegensatz: Um uns herum das pralle Leben voller Farbe und Tönen und Lebensfreude – und die Menschen voller Sorgen: Entlassungen, Kurzarbeit, Mietzahlung? Kinder zufrieden? Sterben im Mittelmeer, Sorge ums Klima… Ich denke an ein Lied, verfasst direkt nach dem Dreißigjährigen Krieg: „Unter deinen Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass die Welt erzittern, mir steht Jesus bei! Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd‘ und Hölle schrecken: Jesus will mich decken!“ Das gibt mir Mut, dass ich nicht allein bin in diesen Zeiten. Gefragt ist aber auch mein Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Und all das, was ich nicht mitgestalten kann, lege ich vertrauensvoll im Gebet in die Hände dessen, der uns auch den 1. Mai schenkt: Tobe, Welt und springe; ich steh’ hier und singe! – Sicher gibt es auch morgen hier oder da Leute, die musizierend den Mai begrüßen und vielleicht auch traurige Gedanken vertreiben können. Jesus sagt uns: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende!

Matias Engelbrecht (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Gesang der Nachtigall

Wenn ich in diesen Nächten zu Bett gehe, dann höre ich beim Schließen der Fensterläden dem Gesang der Nachtigall zu, die im Pfarrgarten und dem nahegelegenen Bachlauf ihr Revier hat. Das Hören des Vogelgesangs ist ein kleines Ritual, auf das ich mich jeden Abend freue, weil es meiner Seele guttut und mich froher einschlafen lässt.

Es gibt wohl nur wenige Dinge, die uns auf so einfache Weise mit Glück erfüllen können wie Musik. Sie hat eine heilsame Wirkung, das haben Neurowissenschaftlicher, Psychologen und Therapeuten festgestellt. Das wussten aber auch die Menschen des Alten Israels vor über 2000 Jahren.

Im 1. Buch Samuel Kapitel 18 wird dem manisch-depressiven König Saul vom Hirtenjungen David auf der Harfe vorgespielt. Sauls Minister haben den Jungen an den Hof kommen lassen, damit er die Stimmungsschwankungen des Königs beruhigt. Davids Spiel wirkt. Saul ist eine Zeit lang ausgeglichener.

Wenn in diesen Tagen Kirchenobere und Politiker von der Wiederöffnung der Kirchen für Gottesdienstfeiern beraten, dann ist noch ungewiss, ob auch gesungen werden darf, weil beim Singen viele Tröpfchen aus dem Mund- und Rachenraum freigesetzt werden. Es wird dann eine andere Art des Gottesdienstes sein als vorher.

Bis das gemeinschaftliche Singen wieder möglich wird, lausche ich dem allabendlichen Gesang der Nachtigall und erfreue mich an ihrem Lied.

Anja Krollmann (Evangelische Kirchengemeinden Esselborn, Freimersheim, Kettenheim und Wahlheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Blau machen…

Schule zuhause: Wer hakt die Hausaufgaben ab? Home-Office: Wer kontrolliert mich? Eine Einladung, einfach mal blau zu machen…

Blau kommt selten vor. Es ist etwas Besonderes, wenn blau auftaucht, wie etwa beim Blaulicht. Das Signal für Fahrzeuge im hoheitlichen Dienst ist ebenso blau wie die Helme der UN-Streitkräfte. Blau ist wichtig.

Immer mehr Geräte haben blaue Leuchten. Die Kombination aus H und B leuchtet, wenn das Gerät bereit ist, sich zu verbinden. „Bluetooth“ erinnert an König Harald Blauzahn, der sich für Frieden einsetzte und so zum Inbegriff wurde für gelingende Bündnisse: Blau heißt, verbunden sein.

Blau ist das „Blaue Kreuz“ der evangelischen Suchtberatung. Gegründet wurde sie, weil viele Alkohol nicht zum Genuss trinken, sondern um „blau“ den Alltag auszuhalten, was es nicht besser macht. Dem Teufelskreis der Sucht möchte das „Blaue Kreuz“ etwas entgegensetzen. Beratung rund um das Thema Sucht, Hilfe für Süchtige und für Angehörige gibt es so u.a. beim Ortsverein Worms, Tel. 06241/9728941. Das Blaue Kreuz erinnert: Du bist nicht allein.

Blau gehört zu den sanitären Farben, wirkt aufgeräumt und ausgleichend. Deshalb tut es manchmal gut, einfach in der Sonne zu sitzen und den Blick in den blauen Himmel schweifen zu lassen. Einfach mal blau machen…

Thomas Lotz (Evangelische Kirchengemeinde Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey und Umgebung

 

Ein welker Löwenzahn

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat sich in den vergangenen Wochen stark verändert. Auch wenn es die „Digital-Natives“ sind, also die Generation die mit Digitalen Medien aufgewachsen ist, brauchte es einige Tage bis wir auf ein neues Medium umgestiegen sind. Nun haben wir uns schon mehrfach im Video-Call getroffen. Vorab: er kann die realen Treffen nicht ersetzten. Aber es ist ein Trostpflaster bis diese wieder möglich sind.

Das Treffen beginnt mit einer Vorstellungsrunde bei der ich die Jugendlichen bitte neben dem Namen das schönste Erlebnis der vergangenen Woche zu berichten. Mein Ziel, das die Runde so etwas um die schönen Erlebnisse erheitert wird, geht nach hinten los. Mehr als der Hälfte fällt kein schönes Erlebnis in der vergangenen Woche ein.

Es bleiben uns ein paar Erinnerungen, die geteilt auch Mut machen in dieser Woche etwas Schönes zu unternehmen. Zum Beispiel eine „Hiwweltour“, einen Kuchen backen (und die Hälfte weitergeben), einen Film zelebrieren, ein Telefonat mit einer Freundin oder die Radtour mit der Familie.

Was haben Sie letzte Woche schönes Erlebt und was nehmen Sie sich diese Woche vor?

Ach so, mein Erlebnis: Ein welker Löwenzahn an der Wäscheschnur vor dem Fenster des Schülercafés in Alzey (Fischmarkt 3) der gegen eine Karte getauscht wurde, die das Team vom Evangelischen Dekanat Alzey-Wöllstein dort aufhängen.

Günter Eiserfey (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Schutz-Masken

Ich war eine Bluse. Ich war ein Bettlaken. Ich war ein Geschirrhandtuch. Das könnte auf dem Mund-Nasenschutz so vieler stehen, die in den letzten Tagen eilig für sich und die Familie genäht wurden.  Was vor wenigen Tagen noch undenkbar war, ist nun Gewissheit: wir tragen eine Gesichtsmaske um andere zu schützen. Das ist ein ganz neues Lebensgefühl, da wir lange in der Wahrnehmung gelebt haben, dass den allermeisten von uns nichts passieren kann und wird. Und jetzt brauchen wir alle Schutz. Wir müssen einander schützen. Wir brauchen die Vorsicht der anderen. Abstand zueinander ist im übertragenen Sinne jetzt menschliche Nähe, die wir geben können. Das zeigt, wie verletzlich wir sind. Plötzlich erleben wir uns nicht mehr unverwundbar. Aber auch wichtig für andere. Es ist nicht egal, wie ich mich gegenüber anderen verhalte, der oder die neben mir braucht meine Fürsorge. Wir müssen in dieser Zeit zwei Dinge lernen: sich beschützen zu lassen, zu akzeptieren, dass ich die Hilfe anderer brauche. Und anderen Schutz mit meinen Mitteln geben, durch Abstand, Geduld, und dem ehemaligen Geschirrhandtuch vor meiner Nase. Alles andere müssen wir in andere Hände legen. Auch das fällt vielen von uns schwer. Das braucht ganz viel Vertrauen. Glücklich der oder die, die auf Gott vertrauen können, dessen Zusage gilt: Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten.

Susanne Schmuck-Schätzel (Evangelisches Dekanat Alzey- Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Aufbruch – Umbruch – Neubeginn

Emmaus, ein kleiner Ort nahe Jerusalem. Dort spielt seit Kindertagen eine meiner liebsten Geschichten der Bibel. Da gehen zwei spazieren, diskutieren schlimme Ereignisse miteinander und sind traurig, weil nichts mehr so ist, wie es war.

Die Welt unserer Protagonisten hat sich verändert, und nicht zum Besseren. Aber immerhin, sie haben sich und sie brechen auf: Der Weg wächst im Gehen. Was begegnet ihnen auf dem Weg?

Plötzlich, noch während sie am Diskutieren sind, taucht eine dritte Person auf und bringt Dynamik in die Handlung. Wir Zuhörerinnen und Zuhörer wissen natürlich Bescheid, so ist das immer in guten Geschichten, die zwei Wanderer merken noch nichts.

Im Gegenteil: Sie wundern sich über die Naivität des Weggefährten: Hat der noch nichts von der Hinrichtung Jesu gehört und davon, dass Frauen ihn gesehen haben wollen? Was denkt der Unbekannte? Wie kann das alles spurlos an ihm vorbeigegangen sein, was die Welt seit Tagen in Atem hält?

Der Fremde legt ihre alten religiösen Geschichten aus, die Zeit vergeht im Nu und als er weitergehen will, drängen sie ihn, mit einzukehren. Eigentlich sind sie die Einladenden, aber die Rollen vertauschen sich. Der Neue hat Gastgeberqualitäten, spricht ein Gebet, bricht das Brot und teilt es aus. Aha, Erkenntnisgewinn bei den beiden Freunden, sie erkennen ihn, die „Augen gehen auf“ in diesem „Augenblick“ und sie erinnern sich, dass das Herz brannte, als sie noch unterwegs waren. Einordnen konnten sie das nicht. Jetzt ist die Freude umso größer, jetzt können sie doch wieder zusammen sein, so wie immer. Aber plötzlich ist Jesus schon wieder weg. Nicht zu fassen, nicht zu halten, nicht verfügbar.

Faszinierend so viel Unerwartetes, Rätselhaftes. In dem Moment, indem sie sich den Freund „einverleiben“ wollen, ist er auch schon wieder weg. In dem Moment, indem sie ihn zwar physisch nicht erkennen, sich aber ihrer „Verwandtschaft in der Seele“ gewahr werden – durch das Ritual des Teilens -, müssen sie ihn gehen lassen. Ist das tragisch?

Dieses Ausloten von Nähe und Distanz ist vielleicht deshalb so schwer auszuhalten, weil von außen vorgegeben und nicht selbst gewählt. Es geschieht einfach, es gibt keine Kontrolle darüber. Das macht den Männern zu schaffen. Das macht allen Menschen zu schaffen, Das macht mir zu schaffen.

Aber gut zu wissen, dass Nähe möglich ist, trotz allem. Indem, was wir in kleinen Momenten einander geben können, in dem, was wir bewahren an gemeinsamer Erfahrung und was wir weitertragen und vorleben, in Ritualen, die neue Formen finden dürfen. Anders als wir es gewohnt sind und so lebendig, wie wir offen bleiben…für Geheimnisvolles, für Flüchtiges und Fragmentarisches in unserem Leben und das, was anders ist als sonst. Ostern ist anders, schon immer. Was wir aus diesen anderen Zeiten machen, liegt bei uns. Ob wir uns „anrühren“ lassen, ob wir verbunden bleiben mit unseren Lieben, mit dem Leben, mit Gott, hängt auch davon ab, welche Geschichten wir erzählen.

Die Freunde im Bibeltext brechen erneut auf und kehren heim. Sie erzählen von Freundschaft und Hoffnung und Zuversicht über alles Schwere hinaus. Das macht Mut!

Petra Tebrün (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Was für eine Zeit!

Was für eine Zeit! Trotz aller Distanz wirkt mein Umfeld stärker auf mich als sonst. Dabei lenken mich weniger die unterschiedlichen Vorschriften als vielmehr die starke kollektive Mentalität, die sich dazu noch stetig verändert: Anfang der Woche gehe ich mit einem Mundschutz vor die Tür und komme mir hiermit beinahe paranoid vor; Und wenn ich Ende derselben Woche das Haus ohne einen Mundschutz verlasse, schaue ich bereits in verständnislose Gesichter. Aber nicht nur die sich verändernde Mentalität löst in mir ein aufgesetztes Gefühl aus. Gerade als Pfarrer „will“ ich momentan pure Zuversicht ausstahlen, selbst wenn es in meinem Inneren ganz anders aussieht. Sorgen und Kummer bewegen mich doch genauso und nicht zuletzt die meisten Menschen, mit denen ich Kontakt habe. Die Bibel kennt solche Emotionen abseits von Zuversicht und Einsicht ebenfalls nur zu gut. Denn natürlich gibt es im Leben eines gläubigen Menschen andere Zeiten. Klagen, Seufzen oder innere Rebellion sind fester Bestandteil des Glaubens und noch lange kein Vertrauensbruch gegenüber Gott. Dass ich meine Sorgen und Zweifel ganz offen vor Gott bringen kann, ist für mich sogar ein Zeichen tiefster Verbundenheit. „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“, heißt es bewusst im Markusevangelium und ist wohl kaum umsonst die Jahreslosung für 2020.

Mirko Webler (Evangelische Kirchengemeinden Badenheim/Pleitersheim mit Pfaffen-Schwabenheim und Hackenheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Gewissermaßen Schulanfang

In den nächsten Tagen ist gewissermaßen Schulanfang! Wenn erste Schritte in eine ungewisse Zeit starten, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Dazu gehört die richtige Ausstattung mit all dem, was dazu gehört, nämlich Hefte und Stifte, und allerlei gilt es im Kopf zu haben, was zu berücksichtigen ist. Ranzen und Schultüte sind die Markenzeichen für den Start in die Schule, bedeutet er doch den Beginn einer neuen Phase.

Einen solchen Start erleben wir in den nächsten Tagen, wenn wir allmählich in den unterschiedlichsten Bereichen des Alltags zurückkehren. Schwierig kann es werden, Neues und noch Unbekanntes kommt möglicherweise auf uns zu. Da ist es gut, wenn wir Lernmaterial bei uns haben, eine Ausstattung, die uns hilft, die ersten Schritte zu gehen.

Wie wird sich dieser Anfang gestalten? Welche Erfahrungen werden wir gewinnen mit diesem besonderen Schulanfang, der verschiedene und mehrere Anfänge haben wird, denn nicht alle starten überall zum selben Zeitpunkt? Nicht-Einschätzbares und Unvorhergesehenes mag sich ereignen.  Wann und wo auch immer der Start beginnt, er erfolgt behutsam und sorgfältig.

Ein Erstklässler spürt das Gewicht des Ranzens auf seinem Rücken, doch er macht die Erfahrung, dass Andere da sind, die mitanpacken und die Last erträglicher machen, indem sie mitgehen, manchmal nur wenige Schritte, bis der Weg in das Neue vertraut ist.

Die Schultüte hingegen – so schwer sie auch sein mag – gibt ein Erstklässler nicht so gerne aus seinen Händen; schließlich versüßt ihr Inhalt den Neuanfang, macht den Start ein wenig schmackhaft.

Bei unseren Anfängen in der kommenden Zeit tragen wir mit uns all das, was wir in den zurückliegenden Wochen erfahren und gelernt haben. Manches wiegt dabei schwer, manches nimmt die Schwere. So gehen wir neue Schritte bei unserem besonderen Schulanfang mit allem, was dazu gehört an Aufregung und Nervosität, Angst und Vorfreude.

Und unsere Schultüten sind gefüllt mit Wünschen und Segensworten, die uns stärken und ermutigen für die ersten Schritte: „… ich bin mit dir, wohin du auch gehst!“.

Eines steht fest: Ohne Schultüte kein erster Schultag!

Annette Stegmann (Evangelischen Kirchengemeinden Albig und Heimersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Macht bald alles wieder auf?

Jeden Tag ein neuer Hoffnungsschimmer.

Einzelne Schulklassen dürfen bald wieder zusammen lernen, kleinere Geschäfte werden geöffnet.

Andere sind auf unbestimmte Zeit geschlossen. Veranstaltungen abgesagt.

Schnell kommt es zu Vergleichen und Neid. Manche Entscheidungen fallen auch mir schwer nachzuvollziehen.

Für viele wird es eng. Zuhause im Homeoffice mit zwei kleinen Kindern.

Arbeitslos oder in Kurzarbeit durch die Krise – aber die Miete ist weiter fällig.

Mir hat ein Satz von Paulus Mut gemacht, im Römerbrief Kapitel5: „Wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen.“

In die Zeit der frühen Christen, in Verfolgung und Angst hinein, schreibt Paulus von der Liebe Gottes. Diese Liebe bleibt auch in diesen Tagen unser Maßstab. Sie erfüllt uns und führt uns über uns hinaus. Befreit aus der eigenen Enge und lässt uns füreinander sorgen.

Geduldig sein, das fällt schwer. Gerade angesichts wirklicher Not. Bewähren müssen wir uns alle, in dieser Krise, um die nicht zu gefährden, die unsere Nächsten sind.

Mit dem Blick der Nächstenliebe, da kann ich mich freuen über die kleinen Hoffnungsschimmer, kann ich mich selbst geborgen wissen. Ich kann mitleiden mit denen die krank sind und habe Kraft mich einzusetzen für die, die vor unseren Augen verborgen sind. In Deutschland oder Moria.

Gottes Liebe gibt mir Kraft und Hoffnung auf eine Zeit danach, in der wir Vergangenes gemeinsam bewältigen und neu nach vorne schauen können. In der wir zusammen feiern, uns beim Friedensgruß umarmen, singen und beten, dicht an dicht!

Pfarrerin Anke Feuerstake (Ev. Kirchengemeinden Gau-Weinheim, Wallertheim und Gau-Bickelheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Meine Zeit steht in Gottes Händen

Ich schaue aus dem Küchenfenster in Richtung Kirchturm. Wie bitte? Erst fünf vor acht!? Aber die Glocke hat doch gerade neun mal geschlagen!? In dem Moment wird mir klar: Unsere Offenheimer Turmuhr hat einen Defekt! Das Uhrwerk läuft verlässlich weiter, der Glockenschlag funktioniert einwandfrei. Die Zeiger dagegen haben ihren Dienst versagt.

Die teilweise defekte Turmuhr ist für mich wie ein Abbild der Zeit, in der wir gerade leben: Für die einen tickt der Alltag weiter, beinahe wie bisher, nicht selten mit mehr Stress und Sorgen, im Homeoffice und, parallel dazu, für die Kinder da sein. Für die anderen stehen die Zeiger auf Stillstand: Sie bleiben zu Hause, die Einkäufe übernehmen die Kinder, Treffen mit Freunden, Begegnungen in den Vereinen und in den Kirchen sind tabu.

Mit dem heutigen Tag werden gewisse Einschränkungen in unserem öffentlichen Leben ein wenig gelockert. Unser Alltag wird aber noch eine ganze Zeit lang vom Stillstand geprägt sein – anders als die Zeiger unserer Turmuhr, die sich inzwischen wieder im Einklang mit dem Glockenschlag drehen.

„Meine Zeit steht in Deinen Händen.“ (Psalm 31) In welcher Zeit auch immer wir leben, wo immer wir auch stehen in unserer Zeit: Sie ist ein Geschenk aus Gottes Händen. Auch in schweren Zeiten dürfen wir Gutes von Gott erwarten, sagt uns der Glaube. In der finstersten Zeit unserer Geschichte findet der Liederdichter Jochen Klepper Worte, die uns auch heute trösten und ermutigen können: „Der Du die Zeit in Händen hast, Herr, nimm auch dieses Jahres Last und wandle sie in Segen.“ (EG 64, GL 257).

Eric Bohn (Evangelischen Kirchengemeinden Weinheim, Offenheim und Erbes-Büdesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Sonntag im Licht des Auferstandenen

Der Weiße Sonntag fällt in diesem Jahr aus, hört man. Es findet in der katholischen Kirche keine Erstkommunion statt. Der Weiße Sonntag findet natürlich statt, Dominica in albis, so heißt er in der evangelischen wie in der katholischen Kirche seit den ersten Jahrhunderten. Weiß waren die Festkleider der in der Osternacht neu getauften Erwachsenen. Eine ganze Woche haben sie Ostern gefeiert und sich über ihre Taufe gefreut. Dann kamen sie nochmals in den festlichen Taufkleidern zum Gottesdienst. Neu eingekleidet. Die neue Kleidung ist für uns oft Ausdruck für unser Lebensgefühl: Business-Kleidung, Dress-Code, Schlabberlook. Der Apostel Paulus sagte einmal, Christen hätten Christus angezogen. Das Denken und die Anschauungen Jesu wurden dem Christen sozusagen zur zweiten Haut. Sie haben als österliche Menschen die Welt und Menschen und sich mit neuen, erlösten Augen angeschaut. Ostern feiert Gottes Liebe und Treue, die mit uns bis in die tiefsten Dunkelheiten geht und uns ins Leben und ans Licht führt. So sollten die Getauften Licht werden in der Welt. Mit den anderen durch dick und dünn gehen. Leben teilen, Lasten teilen und Hoffnung teilen. Der Weiße Sonntag ist der Sonntag im Licht des Auferstandenen, der Tag, der nicht untergeht und nicht vergeht. Überall, wo Menschen dem Leben und den Mitmenschen trauend den Alltag teilen, da wird Auferstehung und Lebendigwerden erfahrbar. Ich wünsche uns allen, dass der Weiße Sonntag in unserem Leben nicht ausfällt.

Wolfgang Bretz (katholische Pfarrgemeinde Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Ostern paradox

Letztes Jahr hatten wir ein Oster-Paradoxon. Das nennt man so, weil der kalendarische und der astronomische Vollmond unterschiedlich sind und sich dadurch das Osterwochenende alle 19 Jahre wieder um eine Woche verschiebt. Und dieses Jahr? Auf ganz andere Weise ein Ostern paradox: Feiertage, schönes Wetter, blühende Landschaft, Stille auf den Straßen und gedämpfte Stimmung. Irgendwie passte es nicht zusammen, wenn die Natur draußen den Frühling feiert und uns wegen der Corona Krise und dem Kontaktverbot so gar nicht danach zumute war. Paradox heißt in etwa „widersprüchlich“ oder „äußerst merkwürdig“ . Als wären der hingerichtete und auferstandene Gottessohn, an den wir an Ostern denken, nicht schon merkwürdig genug. Das übliche Familien-Frühlings-Feier-Feeling gerät schnell ins Stolpern, wenn es nicht aus der alten Osterbotschaft genährt wird, die ihre Kraft gerade in Krisen entfaltet: ein Ermutiger gegen die Angst, ein Überwinder gegen die Barrieren, ein Erlöser gegen Schuld und Scham, ein Licht des neuen Lebens gegen Krankheit und Tod. „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!“ singen wir im Osterlob der liturgischen Osternacht. Eine „merk-würdige“ Wirklichkeit, die den scheinbaren Gesetzmäßigkeiten unseres Lebens „wider-spricht“. Ein Paradoxon lässt tiefer blicken – auch in der Krise!

Stefan Maurer (Stadtmission Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Ganz klassisch!

Noch vor wenigen Wochen habe ich Menschen belächelt, die in der Fußgängerzone mit Kopfhörern herumgelaufen sind und telefoniert haben. „Wie wichtig muss man sein, um überall erreichbar zu sein?“ fragte ich mich. Heute laufe ich selber in der Wohnung mit Kopfhörern herum und plaudere mit Freunden oder für die Arbeit. Inzwischen sind Telefon- oder Videokonferenzen auch schon ein geübter Kommunikationsweg. Keine Spur mehr von Naserümpfen wie damals.

Gestern habe ich eine ganz klassische Postkarte in meinem Briefkasten gefunden. Eine Freundin war vor inzwischen acht Wochen auf einer Fotosafari in Afrika. Mit ihrer, mir vertrauten Handschrift, hat sie kurz umschrieben, was sie gerade erlebt, und dass sie nun während „den schönsten Tagen des Jahres“ an mich denkt. Etwas melancholisch betrachte ich die Karte. Mir geht durch den Kopf, ob es „die schönsten Tage des Jahres“ im Ausland oder eher die Menschen die mir am Herzen liegen sind, die ich nun mehr vermisse. Die Antwort ist für mich schnell klar. Wir bekommen gerade deutlich vor Augen geführt, dass wir ein kleines Glück, dass wir immer hatten, plötzlich so sehr vermissen.

Ich bin froh für diese neuen Wege der Kommunikation. Sie erleichtern diese Zeit. Aber dennoch habe ich gestern eine Postkarte und einen Stift zur Hand genommen und geantwortet. Wem wollten Sie schon lange mal wieder ein Postkarte schicken? Einem Klassenkameraden aus der Grundschule? Der Brieffreundin von damals? Oder der Tante, die verzogen ist? Ganz klassisch – per Post – ohne viel Technik…

Günter Eiserfey (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Hoffnung auf Ostern im Jahr 2021

Als Kind war ich enttäuscht darüber, wenn es am Ostersonntag regnete, weil dann die Eiersuche nicht wie gewohnt im Garten stattfand, sondern im Wohnzimmer. Da gab es kaum Möglichkeiten, wo etwas versteckt sein konnte. Das Suchen war schnell vorüber. Im Garten war es anders. Da gab es Büsche, Bäume und Hecken, unter denen ich die bunten Nester oft erst bei näherem Hinsehen entdeckte.

An Ostern werden dieses Jahr einige enttäuscht gewesen sein, nicht nur die Kinder, weil wegen der Corona-Beschränkungen der traditionelle Besuch bei den Großeltern ausfallen musste oder der geplante Urlaub über die Feiertage abgesagt worden ist.

Es war ein anderes Osterfest. Manche vermissten, dass sie die Gottesdienste nicht in den Kirchen feiern konnten, wo das Begehen der Karwoche am Palmsonntag mit dem Einzug Jesu in Jerusalem beginnt. Am Gründonnerstag folgt das Tischabendmahl, das mit einem sättigenden Abendessen in der Gemeinde verbunden ist, dann das stille Meditieren des Leidensweges Jesu und seiner Todesstunde am Karfreitag und schließlich der Beginn des Ostermorgens, an dem das Dunkel immer mehr vom Licht erhellt wird.

Das Ansehen des Gottesdienstes im Fernsehen half wenig über die fehlende leibhaftige Gemeinschaft hinweg.

Nächstes Jahr ist wieder Ostern. Dann werde ich das Fest sicher bewusster feiern als zuvor. Ich werde Gott dafür danken, dass er das Leben wieder aufblühen lässt, und ihn in der Gemeinde preisen.

Anja Krollmann (Evangelische Kirchengemeinden Kettenheim, Wahlheim, Esselborn und Freimersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Wann beginnt das Leben?

Nach dem shutdown stellen sich fast alle diese Frage: Wann beginnt das Leben wieder?

Drei Theologen unterhalten sich über den Beginn des Lebens. Der evangelische Theologe beginnt und sagt: „Das kann man so genau nicht sagen. Das Leben beginnt wohl mit der Geburt.“ „Nein“, sagt der katholische Theologe, „das Leben beginnt mit der Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle.“ Alle nicken nachdenklich. Dann antwortet der jüdische Theologe: „Ich will euch sagen, wann das Leben beginnt. Das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist.“

Wann beginnt das Leben nach Corona? Wenn alle wieder gesund sind? Wenn die Geschäfte wieder öffnen? Wenn an den Schulen und Universitäten wieder gelernt und gelehrt wird? Wenn die Wirtschaft wieder brummt und die Menschen durch die ganze Welt reisen?

Wir machen Leben so oft abhängig von den Umständen des Lebens. Sind sie passend, dann ist Leben da. Sind sie ungünstig, dann ist das Leben verschwunden und unmöglich. Ich habe Leben anders kennengelernt: Unabhängig von den Umständen. Leben in den Umständen. Leben ist für jeden möglich – nicht nur für die Schönen und Reichen und Erfolgreichen.

Gott sagt im Alten Testament: „Sucht mich. Dann werdet ihr leben.“ Die Umstände waren damals alles andere als günstig. Doch Gott verspricht Leben. Für mich ist die Nähe Gottes der springende Punkt für das Leben. In seiner Nähe entspringt Leben wie an einer Quelle. Krisenfest und unendlich. Ich freue mich, wenn der shutdown vorbei ist. Doch noch mehr freue ich mich, dass der auferstandene Jesus schon heute bei mir ist und Leben gibt.

Frieder Wiener (Evangelische Stadtmission Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

 

Ostern 2020 – Lichtblick am Horizont

Endlich Ostern! Wir feiern das Fest der Auferstehung Jesu. Dessen Weg führte ihn durch eine Zeit des Leidens bis in den Tod hinein. Die Passionszeit erinnert an diesen Weg Jesu, doch an Ostern beginnt etwas Neues. Leben ist zugesagt, Hoffnung auf Leben! Wie das Amen in der Kirche, so gehören Karfreitag und Ostern zusammen.

Seit geraumer Zeit erleben wir eine eigene Passionszeit, dunkle Tage, Stunden voller Angst und Unsicherheit. Dabei stehen wir

diese Wochen miteinander durch, gewissermaßen gemeinsam getrennt.Hier und da flackert ein kleines Licht auf, wird zum Leuchtzeichen in der Finsternis, das uns ein wenig Zuversicht schenkt in einer ungewissen Zeit: der flackernde Kerzenschein am Abend…. die Einkaufstüte, die die Nachbarin vor die Haustür stellt… der Telefonanruf der Freundin…ein Wort, das mich anrührt, herausholt aus dem Dunkel und neuen Lebensmut weckt.

Solche Zeichen werden mir zu Lichtblicken am Horizont, an denen ich mich orientieren kann.

Sie lassen die Dunkelheit nicht länger stockfinster erscheinen, mit einem Male sind Schattierungen erkennbar und im Zwielicht von Tag und Nacht entdecke ich Spuren.

Und ich erfahre, dass Ostern sich Tag für Tag ereignen kann, dort, wo Lichtblicke zu erkennen sind. Ostern geschieht mitten im Leben, manchmal ganz klein und unspektakulär.

Wir feiern Ostern, weil Karfreitag vorausgegangen ist, und es ist eine Glaubensgewissheit, dass der Karfreitag nicht das Letzte ist. Da kommt noch etwas! Denn auch das ist unsere Erfahrung, dass nach der dunklen Nacht das Licht des neuen Morgens erstrahlt.

Schließlich gilt Gottes Wirklichkeit an Karfreitag und an Ostern – und an jedem neuen Tag!

Gesegnete Ostertage!

Annette Stegmann (Evangelischen Kirchengemeinden Albig und Heimersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Die Krone dem König

„Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe; ein jeglicher in seine Stadt…“ Die hochschwangere Maria muss in eine Art „Quarantäne“, bis die Volkszählung vorüber ist und darf Gottes Hilfe erleben. Auch wir vermissen vieles, auch in unserer christlichen Existenz: Die Gemeinschaft und das Brotbrechen. Bibellesen und Beten können wir noch. Leider kein gemeinsames Gründonnerstags-Abendmahl, aber Gemeinschaft mit Jesus. Diesmal ist es wirklich eine „Stille Woche“. Nachdenken. Was bedeutet es mir, dass ich getauft bin auf den Gekreuzigten und den König, der alle unsere Zukunftsängste kennt und mitträgt? „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!“ Ich denke an Bonhoeffer, der heute vor 75 Jahren hingerichtet wurde: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ Gegen die Angst vertraue ich auch weiter auf den König, der will, dass wir leben. Nicht Corona („Krone“) soll uns beherrschen. Dem Träger der Dornenkrone gebührt die Königskrone. Gut, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben; auch durch Videoandachten: Evangelisch-Alzey.EKHN.de.

Mathias Engelbrecht (Evangelisches Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Behutsam wie die Igel

Wenn sie kleine Kinder in der Familie haben, kennen sie bestimmt das Kinderlied „Wenn sich Igel küssen“. Als meine Kinder klein waren, haben sie das Lied geliebt. Nach dem Singen wurde dann praktisch geübt, wie sich Igel küssen. Sie ahnen es schon: Igel müssen dabei “ganz, ganz fein behutsam sein!“ Und etwas Distanz kann dabei auch nicht schaden – wegen der Stacheln.

Ich komme mir momentan des Öfteren wie ein Igel vor. Welche Distanz tut im Umgang mit den Mitmenschen gut, frage ich mich. Welche Distanz braucht mein Gegenüber, um sich sicher zu fühlen? In der Rheinhessen-Fachklinik erlebe ich Krankheitsbilder, die die Einschätzung von Nähe und Distanz verändern. Menschen kommen dann körperlich sehr nahe an ihre Mitmenschen heran.  Freundlich fordere ich dann etwas Abstand ein: „Damit ich sie besser im Ganzen sehen kann!“

Jetzt bin umgekehrt ich in der Situation, das richtige Nähe- und Distanz- Verhalten zu lernen. Ich habe schon gelernt, dass manche Menschen in meinem Bekanntenkreis zurzeit drei Meter Abstand brauchen, um sich wohl zu fühlen. Behutsam wie die Igel im Lied stelle ich mich darauf ein. Auch mit notwendigem Abstand kann man seinem Mitmenschen nahe sein und Geduld und Fürsorge schenken. Und diese Erkenntnis lässt mich in dieser schwierigen Zeit getrost Ostern feiern: Gottes Nähe braucht keinen Sicherheitsabstand und schenkt Hoffnung auf bessere Zeiten! Das Kinderlied hat glücklicherweise ein Happy-End: Alle Tiere, ob Igel, Stachelschweine, Elefanten oder Krokodile, bekommen am Ende die ersehnte Zuwendung – aber immer ganz, ganz fein behutsam!

Gerald Schwalbach (Evangelische Klinikseelsorge Rheinhessenfachklinik Alzey) für die christlichen Kirchen Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Wohl dem, der vorgesorgt hat

Es begann mit Toilettenpapier. Als sich abzeichnete, was auf uns zukommen würde, wurden die Vorräte aufgestockt. Es fiel auf, wie die Großpackungen sich in den Einkaufswagen türmten oder unter dem Arm durch die Straße getragen wurden. Das nächste, wo in den Geschäften große Lücken entstanden, waren die Regale mit den Konservendosen. Dann die Nudeln, schließlich die Hefe.

Dann aber waren es die Schutzmasken, die auf einmal knapp waren. Solche, wie sie in den Krankenhäusern dringend gebraucht werden. Die Schutzkleidung, die den ganzen Körper einhüllt. Die Beatmungsmaschinen. Auf einmal wurde die Nation gewahr: Das kommt ja alles aus dem Ausland, von ganz weit her. Ebenso wie die Erntehelfer, ebenso wie die Pflegekräfte, die für billiges Geld zu arbeiten bereit sind. Kein eigener „Vorrat“ steht zur Verfügung.

Schließlich geht es sogar um die Ressource „Know How“. Eine Großmacht will gar versuchen, weltweit die Forschenden, die an der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen arbeiten, für den eigenen „Vorrat“ abzugreifen.

Mit einem Mal gehen uns die Augen auf, wie wir uns darauf verlassen haben, dass überall der Nachschub funktioniert. „Just in time“ heißt das Prinzip in der Industrie, das auf eigene Lagerhaltung verzichtet. Alles wird erst in dem Augenblick herangeschafft, da es in der Produktion gebraucht wird.

Das konnten wir uns leisten, so lang alles rund lief.

Was ist mit dem geistlichen Vorrat? „Ich finde doch das Gesangbuch in der Kirche“ bekam ich oft gesagt, wenn mir jemand erklärte, warum er kein eigenes besitzt. Aber jetzt sind die Kirchen zu. Seit drei Wochen finden nirgendwo mehr Gottesdienste statt, wie sie sonst so selbstverständlich waren. Wohl dem, der vorgesorgt hat. Irgendwo da hinten im Regal … gut dran sind die, deren Tochter oder Sohn zum Konfirmandenunterricht ein eigenes Gesangbuch, ja sogar eine eigene Bibel angeschafft hat. Warum das sein sollte, haben wir ja damals auch nicht so wirklich verstanden, aber jetzt …

Und da stehen ja nicht nur Lieder drin. Ab Nummer 700 im Evangelischen Gesangbuch wird es noch einmal richtig interessant. Jetzt vor allem die Angabe der Bibelstellen bei Nr 790. Aber auch der ganze Bereich ab Nr. 812.

Kein eigenes Gesangbuch im Haus? Nicht nur mit Einkauf im Supermarkt kann Nachbarschaftshilfe funktionieren. Wo Bibel und Gesangbuch fehlen, helfen wir gern aus.

Solange Vorrat reicht. Dann wird aufgestockt.

Andreas Rose (Evangelische Kirchengemeinden Gau-Odernheim/Gau-Köngernheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Frau Meier und die Amsel

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit!“ (2. Tim.1,7) Wie hören Sie in diesen Zeiten diesen Satz? Hat die Furcht schon überhandgenommen?

Frau Meier würde das bejahen. Sie ist gefangen in ihren Sorgen, in ihrer Furcht. Frau Meier sorgt sich um vieles: Ob sie nicht vielleicht zu wenig Rosinen in den Kuchen genommen hat. Sie sorgt sich, ob ein Autobus mit 90 Ausflüglern in der Kurve vor dem Haus ausrutschen könnte, und ob dann der Rosinenkuchen überhaupt reichen würde, weil die Armen doch bestimmt Hunger haben.

Dann passiert etwas Besonderes. Als sie sich bückt, sieht sie es vor sich liegen, das kleine Ding, nackt, auf dem Bauch. Jetzt hat Frau Meier allen Grund zur Sorge und vergisst sofort Kuchen und Busse. Die Sorge um das Wohl des kleinen Vogels, dessen Leben von ihrer Fürsorge abhängt, bestimmt nun ihr Leben. Als die Amsel groß genug ist, findet Frau Meier, dass sie ihm nun das Fliegen beibringen müsste. Die ersten Versuche scheitern. Das letzte Bild in diesem wunderbaren Bilderbuch von Wolf Erlbruch: Die Amsel hat das Fliegen gelernt und sie machen gemeinsam einen Ausflug.

Frau Meier war ganz in ihren Ängsten gefangen. Dies ändert sich erst mit dem Auffinden des jungen Vogels, dessen Leben von der Sorge, der Liebe und der Besonnenheit der Frau Meier abhängt. Andere Geister bestimmen nun ihr Leben. Der Geist der Kraft ist schöpferisch. Er liebt es, neue Anfänge zu schaffen, Brücken zu bauen, Abgründe zu überqueren. Der Geist der Liebe bewegt Menschen, aufeinander zuzugehen, ihre Geschichten zu hören, Ängste zu teilen. Der Geist der Besonnenheit schafft Luft im Streit, verlangsamt die Gedanken, wägt die Optionen ab.

In diesen drei „Geistern“ ist Gott selbst gegenwärtig. Mit seiner schöpferischen Kraft, seiner den Tod überwindenden Liebe, seinem die ganze Welt erfüllenden und befreienden Geist.

Auch in diesen anderen Zeiten kann jeder von uns seine „Amsel“ finden und so die anderen Geister gegen den Geist der Furcht antreten lassen – vielleicht lernen wir sogar fliegen!

Andrea Beiner (Evangelische Kirche Eppelsheim, Dintesheim, Flomborn und Ober-flörsheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Sehnsucht

Schon fast zwei Wochen Kontakt-Sperre. Also möglichst wenig andere Menschen sehen. Fast alle Begegnungen streichen und nur die nötigsten Menschen mir zu nahe kommen lassen. Was für ein Mist! – denke ich mir und merke, wie meine Seele sich nach mehr sehnt. Ich mag Menschen – meistens. Und ich freue mich, andere zu treffen, zu sprechen und zu sehen. Das wird mir diese Tage besonders bewusst, wenn ich doch mal zufällig einen Freund „in echt“ treffe – und zumindest aus ein paar Metern Abstand winken kann. Aber ich habe Kontakt-Sehnsucht!

So muss es Gott gehen. Und zwar schon länger als zwei Wochen. Dass er sich nach Kontakt zu dir und mir und den anderen Menschen sehnt. Und dass er deine Nähe vermisst. Das vertraute Gespräch, das Sorgen teilen, gemeinsam unterwegs sein. „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jeremia 31,3). Das ist Gottes Kontaktanzeige für dich. Und wenn du magst, dann gib ihm doch mal eine Antwort. Gott sehnt sich nach dir.

Martin Rust (Gemeinde am Schillerplatz) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Beppo

Kennen Sie Beppo? Michael Ende schreibt in seinem Buch „Momo“ über ihn: „Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief. Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit.“ Er war ein Strassenkehrer.

Während der Arbeit hat Beppo viele tiefsinnige Gedanken und er teilt sie mit Momo, der er sie abends erzählt. Sie kann gut zuhören und das hilft dem einfachen Beppo, seine Gedanken zu sortieren:

„Siehst du Momo“, sagte er zum Beispiel, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; dass kann ich niemals schaffen, denkt man.“ Er blickt eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an sich zu eilen und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“

Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter: “Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich.“

In diesen Tagen, in denen manchen die Dinge nicht schnell genug gehen und andere sich fragen, wie lange das Ganze noch dauern kann oder dauern muss, lohnt sich ein Blick auf die Lebensauffassung von Beppo:

“Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“

Vielleicht sollten wir heute mal ein Blick auf die Schritte richten, die in dieser „anderen Zeit“ schon gegangen wurden, auf den den Teil der Strasse, den wir zusammen schon geschafft haben.

Kerstin Schuh (Evangelische Jugend im Dekanat Alzey-Wöllstein) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Wundervoller Klang

Still ist es geworden um uns herum. Kaum ein Auto ist noch zu hören. Kein Lachen, keine Unterhaltung ist mehr zu hören. Die Menschen sind alle zuhause in ihren Wohnungen. Und so höre ich nur noch den Wind um meine Ohren pfeifen, wenn ich abends über die Straßen meines Ortes gehe. Und diese schweigende Welt, sie ist schön, aber auch beängstigend. In mir sträubt sich alles dagegen, mit dem Reden aufzuhören, so einfach auf alle Gottesdienste, ja auf meine Gemeinde zu verzichten. Und so werde ich aktiv. Ich suche mir Mittel und Wege, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Ein Video hier, eine Andacht da, ein Kindergottesdienst aufgenommen. Wirklich gut gemeinte Angebote. Ich will ja den Faden nicht abreißen lassen in dieser neuen und für viele auch beängstigenden Situation.

Aber manchmal frage ich mich, ob das tatsächlich das Einzige ist, was wir aus unserer neugewonnenen Stille lernen können? Vielleicht täte uns das Schweigen ja auch mal ganz gut? Nach dem ganzen Lärm und der ganzen Hektik, die unser Leben ansonsten so fest im Griff haben. Und vielleicht hätte Gott so auch wieder eine Chance, von uns gehört zu werden. Im Schweigen. Ohne die ganzen Ablenkungen unseres Lebens. Es ist auf jeden Fall eine alte Glaubenserfahrung, dass die Stille anfangen kann zu sprechen, dass Gott im Schweigen wohnt. Dietrich Bonhoeffer hat es so ausgedrückt: „Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.“ Dass wir hellhörig werden für diesen Chor jetzt in unserer neu gewonnenen Stille, das wünsche ich Ihnen und auch mir von Herzen.

Johannes Hund (Evangelischen Kirchengemeinde am Eichelberg) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

 

Die Wunden der offenen Gesellschaft

Zu Beginn der österlichen Bußzeit begegnete mir ein Bild des sogenannten Arma-Christi-Kreuzes, bei dem Jesus der Gekreuzigte auf die Symbole seiner durchbohrten Hände, Füße und Seiten sowie die Dornenkrone reduziert dargestellt wird. Ergänzt durch das biblische Motto der Darstellung „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53,5). Tatsächlich? „Durch seine Wunden sind wir geheilt“, das ist die Zusage. Sie hallt in mir nach. Aber sind denn die Wunden unserer Gesellschaft und jedes Einzelnen tatsächlich geheilt. In Tagen, in denen ein Virus unsere wesentlichen Grundrechte sowie gesellschaftliche Strukturen hart einschränkt und uns Nachrichten wie über die Taten von Hanau und Volkmarsen ereilen. In denen unschuldige Menschen – Kinder und Erwachsene – gewaltsam mitten aus dem Leben gerissen werden. In denen Despoten menschliches Leid als politisches Druckmittel missbrauchen. In denen Machtstreben Menschlichkeit und Mitgefühl vernebelt. Sind denn die Wunden nicht tiefer denn je und reißen nicht täglich an einer anderen Stelle der Welt wieder neue auf? Wo und wie können wir dieser Tage die Heilszusagen finden und transportieren? Als Antwort erscheint es mir aktueller denn je, dass eine jede und ein jeder in Vertrauen auf die Heilszusage Gottes lebt, dass er uns nicht verlässt und sein Geist in jedem von uns wohnt. Und dass wir in Vertrauen auf diese Zusage mit Mut und Entschlossenheit den Samen von Toleranz, Respekt und sozialem Miteinander säen und hegen und mehren und bewahren.

Silke Kleinschmitt (Caritas-Zentrum Wörrstadt) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Die Freiheit nehm ich Dir-  Gedanken für danach

Die Krise wird in diesen Tagen ihren Höhepunkt erreicht haben. In die Diskussionen über die Notwendigkeiten von Einschränkungen unseres Alltags mischen sich erstaunliche Stimmen aus unvermuteter Ecke. Sollte man die erstaunliche geduldige Konsequenz der Bürgerinnen und Bürger nicht nutzen für noch wesentlichere Aufgaben? Ist nicht Klimarettung und gesundes Essen erst recht ein solcher globaler Notfall?

Um es klar zu sagen, so notwendig die gegenwärtigen Krisen- Maßnahmen sind, so notwendig ist der Gedanke an das, was wenige derzeit eine „Exitstrategie“ nennen: wie zurück zum Normalen vor der Krise. Die verdächtige Hochachtung vor der Effizienz chinesischer Maßnahmen sollte uns nicht vergessen lassen, dass dort nicht viele Freiheiten einzuschränken waren; als systemkritisch wurde und wird dort wohl hauptsächlich das Funktionieren des Einzelnen als ökonomisches Subjekt gesehen.

Echte Freiheitsrechte schliessen allerdings das Recht ein, dumm zu sein und Dinge zu essen, die ungesund sind oder Autos zu fahren, die ökologischer Schwachsinn sind. Eine Freiheitliche Gesellschaft muss das aushalten, sie muss und kann fast nur auf Einsicht, Überzeugung und Diskurs setzen.

Deshalb werden trotz zukünfiger Risiken die Ausgangsbeschränkungen nur solange funktionieren, wie es allgemeine Einsicht in ihren Nutzen gibt. Das muss transparent erklärt werden.

Trotzdem gibt es demnächst allerhand Fragen zu beantworten. Was ist eigentlich „Systemrelevant“ in unserem Leben? Der freie Warenverkehr ja, elende Flüchtlinge an irgendeiner Aussengrenze in einem Plastiktütenlager nein? Das Recht, eine Impfstofffirma zu kaufen, weil man es sich leisten kann, um die Forschungsergebnisse für sich selbst zu behalten ja, die Haltung eines Billiglohnlandes, die produzierten Atemschutzmasken erstmal für die eigenen Leute zu behalten nein? Die Öffnung der Baumärkte ja, damit wenigstens die Frühjahrsarbeiten im Garten weitergehen ja, die Schliessung der Kirchen nein, weil da so viele Risikoalte zusammen kommen?

Fragen über Fragen…wahrscheinlich gibt es keine Exitstrategie, mit der wir einfach zurückkommen an den Punkt unseres alten Lebens vor der Krise. Aber das ist möglicherweise etwas Gutes an dem, was wir alle gerade durchmachen.

Joachim Schuh (Evangelische Kirchengemeinde Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Im Garten Gethsemane…

Fast alle Menschen kennen Momente, wie sie Jesus im Garten Gethsemane erlebt. Das sind Tage oder Monate, in denen wir nicht glauben können, was wir mal geglaubt haben. Entweder erfahren wir Unheil am eigenen Leib oder an der eigenen Seele – oder wir werden Zeug wie Menschen in Anfechtung fallen – gerade nach einem Unglück oder wie jetzt in der sog. Corona-Krise. Ist Gott wirklich, der, für den ich ihn hielt? Tut er mir Gutes? Man fühlt sich wie in einem bösen Traum, weiß aber zugleich, dass der Traum wirklich ist.

An die Erzählung aus dem Garten Gethsemane (Lukas 22, 39-46) denke ich deswegen, weil wir unser eigenes Leben darin spiegeln können. Jesus hat diese Schwere des Lebens erlebt und überwunden. Wir und andere haben Erfahrung damit oder erleben sie gerade. Was können wir dann tun? Wir können dem Rat Jesu folgen: „Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Und wenn ihr in Anfechtung seid, dann betet erst recht.“ Etwas muss uns zusammenhalten, wenn wir auseinanderzufallen drohen durch heftige Zweifel.

Mein Gott, schau auf mich, sieh wie es mir geht. Gib allen Kraft, die gerade in dieser Zeit so viel für ihre Nächsten tun.

Gerade im Leid hat Jesus so gerufen. Er hat Gott nicht aus der Verantwortung gelassen, sondern hat in für sich sozusagen herbeigebetet. Das war noch nicht die Heilung oder die Befreiung – aber oft der Anfang davon. Darum tun auch wir jetzt gut daran, das zu tun, worum Jesus uns bittet: Wir beten. Wir beten für die, die leiden und auch für uns, die wir Trost suchen. Vielleicht beten wir mit den Worten des 23. Psalms: „Der Herr ist mein Hirte…“ für alle, die uns in diesen Tagen Hirten und Hirtinnen sind.

Pfarrer Dieter Emig (Evangelische Kirchengemeinden Siefersheim, Stein-Bockenheim und Wonsheim) für die christliche Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Gute Nachrichten!

Es gibt tatsächlich auch gute Nachrichten in dieser Zeit. Einige Beispiele: Die Nachbarschaftshilfe wird ausgebaut, wenn man sich gegenseitig beim Einkaufen hilft. Parteigräben werden übersprungen, wenn es darum geht in der Krise aktiv zu helfen. Solidarität wird gepflegt, um für die zu sorgen, die Hilfe und Schutz brauchen. Die Nazis können nicht aufmarschieren, weil öffentliche Veranstaltungen untersagt sind. Die Schüler bekommen keine schlechten Noten, weil die Schule ausfällt. Alle wünschen sich „Bleib gesund!“ und meinen das ernst. Die Luft wird weniger belastet, weil keiner mehr fliegen darf. Mancher hat unverhofft Zeit zum Aufräumen, weil viele Veranstaltungen abgesagt werden müssen. Dem Pflegepersonal wird deutlich mehr gedankt als sonst. Neue Witze über das Hamsterkaufverhalten verschiedener Kulturen machen nachdenklich. Toilettenpapier- und Nudelproduzenten steigern ihren Absatz.

Die Beispiele ließen sich fortführen und ich bin mir sicher, dass Sie auch gute Nachrichten zu berichten haben. Wir leben in einer spannenden Zeit, die nicht nur Einschränkungen mit sich bringt und viele Menschen in Sorge und Angst versetzt, sondern auch gute Seiten hat.

Besonders beeindruckend finde ich, dass sich jetzt viele Menschen trauen, davon zu reden, was das Wesentliche unseres Lebens ist. Das geschieht glaube ich nicht nur, weil Konsum und Ablenkung eingeschränkt sind, sondern auch weil jeder spürt, wie wichtig die Gesundheit und das Leben sind. Das Wesentliche unseres Lebens wiederzuentdecken, ist wirklich eine gute Nachricht.

Guntram König (Katholisches Dekanat Alzey-Gau-Bickelheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Das Maß aller Dinge

Die unterschiedlichen Eingriffe, so in etwa drückte sich ein Börsianer in einer Nachrichtensendung aus, die unterschiedlichen Maßnahmen in der Welt seien der Kursentwicklung nicht dienlich.

Was ist das Kriterium dafür was dienlich ist und wem es dienlich gemacht werden muss?

Natürlich braucht es ein Wirtschaften. Es braucht es ein global vernetztes Wirtschaften der Menschen, ich will das nicht unterbewerten.

Die große Bedrohung in einer so reich vernetzten Welt lässt uns aber doch neu fragen, was der entscheidende Maßstab sein soll.

Wenn das Gefährlichste vorbei ist, müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Und die Lösungswege werden unseren Egoismus arg strapazieren, glaube ich.

Das Maß ist doch der Mensch, jeder einzelne Mensch, die Gemeinschaft aller Menschen, nicht Gewinnsteigerung, Kostenminimierung, persönlicher, regionaler oder nationaler Egoismus.

Wir sind so reich vernetzt, wirklich bereichernd im tiefsten Sinn vernetzt, dass wir, verzeihen Sie die Formulierung, zur Solidarität und zum Teilen ‚verdammt‘ sind.Und dass im Kleinen und Nahen und im Fernen und Weiten. Viele kleine Gesten der Solidarität und der Hilfe geben in diesen Tag Kraft und Zuversicht. Das lässt doch aufhorchen.

Was lernen wir für unsere Nachbarschaftlichkeit? Was lernen wir für unser Gesundheitswesen und was sind wir bereit zu bezahlen, damit Kranke gesund werden können, das Mediziner und Pflegekräfte leisten dürfen, was sie leisten können und auch wollen – jenseits von Einsparung und Gewinnsteigerung, von Medizin hergestellt in Billiglohnländern. Kranke und Pflegende zahlen zur Zeit einen hohen Preis. Wir danken immer wieder den Schwestern, Pflegern, Ärztinnen und Ärzten, das ist ganz wichtig.

Aber werden wir in einigen Monaten diese Dankbarkeit auch in ein Umdenken und Umentscheiden und Umhandeln verwandeln? Sind wir lernfähig? Ich wünsche es uns.

Wolfgang Bretz (Katholische Pfarrgruppe Alzeyer Hügelland) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

 

Kraft schöpfen

Die Vögel zwitschern im Sonnenschein, die Hecken stehen in zartem Grün, immer mehr Blüten sind im Garten zu sehen und ein gelber Schmetterling flattert an mir vorbei. Für Mitte März eigentlich nicht ungewöhnlich. Doch irgendetwas stimmt nicht mit diesem Bild. Es wirkt fast unwirklich. Es passt nicht zu den dominierenden Bildern der letzten Tage und Wochen, von leeren Regalen,  Krankenhäusern, geschlossenen Läden und besorgten Gesichtern. Diese Naturidylle ist da fast zu viel. Doch ich bleibe, schaue auf einen grünen Spross, der sich durch die feuchte Erde zwängt, ganz zart und klein. Schon bald wird da eine Tulpe stehen. Wieviel Kraft in so einer kleinen Blumenzwiebel steckt. Ich kann mich noch daran erinnern, wie an dieser Stelle verwelkte Blätter standen, schlaff und kraftlos. Doch der Schein trügt, die Pflanze ist „klug“, sie sammelt ihre Kraft in der Zwiebel im Erdreich, abgeschieden in der Ruhe und wartet geduldig, bis es wieder Zeit ist für sie zu blühen. Es ist kein „Nichtstun“, sondern eine kraftschöpfende Ruhe.

Im Moment sind viele von uns gezwungen abgeschieden zu leben. Vielleicht können wir diese Zeit auch nutzen, um Kraft zu schöpfen für die Tage, in denen wir wieder „aufblühen“ dürfen.Und vielleicht können Sie in diesen Wochen mit ihren Kindern oder einfach auch für sich einen kleinen Pflanzensamen in einem Blumentöpfchen in die Erde sähen und ihm auf der Fensterbank dabei zuschauen, wie er seine Kraft entfaltet. – Als Hoffnungsbild dafür, dass das Leben weitergeht, denn „solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22)

Tanja Martin (Evangelische Kirchengemeinden Eckeslheim und Wendelsheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Licht hält fit

 

Wir konnten  gestern in dieser Rubrik lesen: Menschen stellen jetzt Hoffnungslichter in ihre Fenster – Zeichen der Hoffnung und der Verbundenheit. Licht für den Abend und die Nacht.

Tagsüber scheint die Sonne. Die bewusste Wahrnehmung des Lichts lohnt sich den ganzen Tag über. Denn Licht hält fit. Licht ist die Grundlage des Lebens. Licht gibt Kraft und Freude. Die Sonne ist ein Symbol für Gott – Ursprung und Urkraft des Lebens.

Morgens das Licht begrüßen: Der Tag beinhaltet viele Chancen. Wir sollen Kinder des Lichts sein, so lehrt es Christus. Gerade jetzt gilt es, sich die Chancen bewusst zu machen. Wer zu Hause bleiben muss, der braucht Disziplin, dass er den Tag über nicht einfach vor sich hin dämmert. Strukturieren Sie den Tag.

Mittags den Tag gestalten – für andere

und für sich selbst: Es gibt viele Kontaktmöglichkeiten (trotz der Kontaktverbote). Ein Telefonat mit einem einsamen Menschen. Ein Gruß von Balkon zu Balkon über die Straße. Ein Video-Chat mit einer guten Freundin, einem guten Freund.

Bewegung und Sport sollen nicht vergessen sein. Seien es nur die Stufen im Treppenhaus oder Bewegung auf dem Balkon. Etwas tanzen zu guter Musik – wie auch immer. Vergessen Sie nicht Gutes zu tun: Ein Einkauf für einen Menschen, der Hilfe braucht. Ein freundliches Zeichen. Nächstenliebe macht stark.

Licht am Abend: Stellen Sie ein Hoffnungslicht auf. Winken Sie anderen Menschen zu. Vielleicht beten Sie. Geben Sie den Tag zurück in Gottes Hände – in sein Licht. Und wenn man es auch nicht sieht: Gottes Licht scheint in der Nacht!

Seien Sie Kind des Lichts! Gott lädt dazu ein.

Stefan Koch (Evangelische Kirchengemeinde Wörrstadt, Rommersheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung.

 

 

Hoffnungslichter

 

Mit einer Rasanz, die keiner für möglich gehalten hätte, breitet sich das Coronavirus aus. Und das macht Angst.

Aber gerade in unserer jetzigen Situation ist es tröstlich und mutmachend zu erleben, wie auch anderes, Gutes, sich rasant auszubreiten vermag. Zum Beispiel das Hoffnungslicht.

Vor ein paar Tagen erreichte mich die Mail eines Pfarrerskollegen aus dem Odenwald, der selbst zu den derzeit besonders gefährdeten Personen gehört.

In dieser Mail ruft er dazu auf, an jedem Abend, wenn es beginnt dunkel zu werden, ein Hoffnungslicht anzuzünden und ins Fenster zu stellen, damit Vorübergehende es sehen können.

Ein Licht, das zeigen soll: Wir glauben auch in dieser schweren Zeit an das Helle, das Gute und Frohmachende. Wir verlieren die Hoffnung nicht und halten an der Gewissheit fest, dass Gott uns auch und gerade jetzt zur Seite steht.

Das, so finde ich, ist eine sehr schöne Idee. Und die hat sich in der Tat rasant verbreitet: Schon jetzt wird in etwa 800 Kirchengemeinden dazu aufgerufen, sich zu beteiligen. Und diesen Aufruf gebe ich nun auch an Sie weiter.

Zünden Sie abends ein Hoffnungslicht an und stellen sie es ins Fenster.

Und gehen Sie, solange wir das dürfen, dann auch mal (allein oder zu zweit) hinaus um zu sehen, wo überall dieses Licht scheint.

Vielleicht gelingt es sogar, dass allabendlich mit Einbruch der Dunkelheit die Kirchenglocken geläutet werden als Aufruf zum Gebet. Für uns und unsere Lieben, für unser Dorf, unser Land und für diese Welt.

Zwar räumlich getrennt, aber in der Hoffnung miteinander verbunden.

Martin Schauß (Evangelische Kirchengemeinden Flonheim-Uffhofen und Bermersheim v.d.H.) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

 

Vom Diktat der Superur befreien

 

„Ticken und tacken, klicken und klacken, gehen und sausen, niemals Pausen!“  Mit diesem Lied beginnt das Musical „Ausgetickt – Die Stunde der Uhren“, das Minis und Maxis der Alzeyer Kinder- und Jugendkantorei Anfang Mai aufführen wollten. Darin geht es darum, dass die Uhren von einer tyrannischen Superuhr beherrscht werden, die allen ihren Takt aufzwingt. Am Ende des Stückes gelingt es ihnen, sich mit Hilfe einer Spieluhr, die ja keine Zeit anzeigt, vom Diktat der Superuhr zu befreien.

Manche Menschen empfinden es in diesen Tagen vielleicht auch als eine Befreiung, einmal nicht im vorgegebenen Takt der Zeit gehen zu müssen. Es bleibt Raum für Liegengebliebenes und für Kreativität. Für andere wiederum ist das ganz schön ungewohnt, wenn der Tageslauf nicht mehr seine übliche Struktur hat, und die Freizeitmöglichkeiten massiv beschränkt sind. Woran wir auch denken sollten: Ganz viele stehen momentan unter besonderem (Zeit-) Druck. Zum Beispiel diejenigen, die im Gesundheitswesen und der Pflege arbeiten und sich mit großem Einsatz um erkrankte und pflegebedürftige Menschen kümmern.

Im Kinderchor haben wir noch ein anderes Lied gesungen: „Singt das Lied der Freude über Gott“. Darin heißt es: „Er wird Kraft uns geben, Glanz und Licht wird sein, in das dunkle Leben leuchtet hell sein Schein.“ Für mich ist ein solcher heller Schein die Hoffnung darauf, bald wieder mit Kindern und Erwachsenen Musik machen zu können. Was gibt Ihnen Kraft und Zuversicht?

Hartmut Müller (Kantor der Evangelischen Kirchengemeinde Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Von der Rolle

 

Bis Aschermittwoch war Fasten ein Art Lifestyle. Der mehr oder weniger fromme Verzicht auf das „Zuviel“ dieser Tage, Kaffee, Süßes, Fernsehen. Sieben Wochen ohne, weil’s halt gut tut. Vierzig Tage ist die Fastenzeit, die biblische Zahl für „unvorstellbar lang – und ein bisschen darüber hinaus“. Vierzig, das heißt Quarantäne. Die verfügten Einschränkungen zur Verlangsamung der Corona-Infektionen treffen uns ins Mark, viele Selbstverständlichkeiten des Lebens sind außer Kraft gesetzt. Es geht ans Eingemachte. Wir spüren, worauf wir nur schmerzlich verzichten können. Das setzt erstaunliche Fantasien frei. Wer hätte beim Fasten je an Toilettenpapier gedacht? Verschwörungstheorien braucht es jetzt aber nicht, auch nicht ängstliches Sorgen für sich oder wütendes Deuten auf Sündenböcke. Das Virus bekämpft man indes auch nicht mit frommen Sprüchen oder flotten Insta-Stories, sondern durch wissenschaftliche Forschung, hingebungsvolles Handeln an den Kranken, Zuwendung zu den Besorgten und vernünftige Zurückhaltung. Aber Sprüche, Glauben, Lachen und Lieben tun der Seele gut. Sie sind unverzichtbar, ja: not-wendig gerade, wo eine Gesellschaft etwas „von der Rolle“ scheint. Diese Fastenzeit führt uns an die Grenzen und nicht wenig darüber hinaus. Deshalb halten wir uns am Wesentlichen fest: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben.“ (Ps 46,2)

 

Markus Krieger (Pfarrer in Bechtolsheim, Biebelnheim, Ensheim und Spiesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

Eines meiner liebsten Lieder…

Eines meiner liebsten Lieder aus unserem Gesangbuch ist das Lied »Wer nur den lieben Gott lässt walten«. Es begleitet mich schon lange, nicht erst seit dem Film Vaya con dios mit Daniel Brühl. Dieser Film, ein Road Movie, erzählt von den drei Mönchen Arbo, Tassilo und Benno. Die drei gehören dem fiktiven Cantorianer-Orden an. Sie glauben, dass Gott sich in der Musik, vor allem aber im Gesang in besonderer Weise offenbart. Und wenn sie das Lied »Wer nur den lieben Gott lässt walten« so wunderbar singen, dann bekommt man eine Ahnung, dass da was dran sein könnte – und unsere Stimme ein göttliches Geschenk ist.

Wann haben Sie das letzte Mal mit Leidenschaft gesungen, allein oder mit anderen? So dass Ihnen das Herz aufgeht, dass Ihnen durch den Klang, der aus Ihrem Körper strömt, Zuversicht und neuer Mut zuwächst? Probieren Sie es mal! Sie verbringen jetzt wahrscheinlich viel Zeit in Ihren eigenen vier Wänden. Wenn falsche Töne dabei sind, macht das nichts. Aber Sie werden merken: es tut gut. Unsere drei Mönche singen auch die siebte Strophe des Liedes und fordern zum Mitsingen auf: »Sing, bet und geh auf Gottes Wegen / verricht das Deine nur getreu / und trau des Himmels reichem Segen / so wird er bei dir werden neu. / Denn welcher seine Zuversicht / auf Gott setzt, den verlässt er nicht.«.

Jetzt haben Sie ein Lied, das Sie begleiten mag – und einen Filmtipp für die langen Abende zuhause mit dazu.

Eric Kalbhenn (Kirchengemeinden St. Johann-Wolfsheim und Zotzenheim-Welgesheim) für die christlichen Kirchen in Alzey-Wöllstein und Umgebung

 

„Hast du´s schon gehört?

Du kannst mit Menschen reden, die gar nicht im Raum sind!“

Noch vor 150 Jahren war das eine Sensation, obwohl der „Fernsprecher“ längst erfunden war. Doch im Haushalt war das Telefon (gr. „tele“ = fern, „phon“ = Laut, Stimme, Sprache) noch lange nicht üblich. Und selbst wer dann die erforderliche Nummer kannte, es ging nichts ohne das „Fräulein vom Amt“. In mühseligem Verfahren wurde gestöpselt und verkabelt, bis beide Gesprächspartner miteinander verbunden waren. Dabei galt: Je weiter, desto teurer.

Heute ist das alles einfacher geworden. Wir brauchen nicht mehr bis zum Freizeichen kurbeln, und musste der Finger ziffernweise in der Wählscheibe kreisen, so huscht er heute über Display und Pfeiltasten. Statt Nummern stehen im Telefonbuch Namen, und dank Mobilfunk erreichen wir die meisten Menschen da, wo sie gerade sind.‘

Unsere Altvorderen hätten wohl davon geträumt, so einfach die Stimmer der Liebsten zu hören. Wie geht es den Kindern, den Enkeln, der Freundin im Nachbarhaus? Ein Telefonat genügt, und wir sind im Bilde. Wie Blumengrüße können wir uns gute Wünsche zusprechen, können uns gegenseitig beraten und füreinander da sein. Können den kabellosen Apparat neben uns legen, auf Lautsprecher schalten und gemeinsam die selben Zeitungsrätsel lösen. Oder singen. Oder uns Neuigkeiten austauschen, Tag für Tag, und gegenseitig fragen: „Hast du´s schon gehört?“

Thomas Lotz (Evangelische Kirchengemeinde Alzey) für die christlichen Kirchen in Alzey und Umgebung

 

Corona: Kirche will Gläubige trotzdem erreichen

 

Gottesdienste dürfen wegen der Corona-Krise nicht stattfinden. Im Alzeyer Land will die Kirche die Menschen daher mit Videogottesdiensten und einem neuen Format erreichen.

ALZEY-WORMS – In Krisenzeiten ist der Glaube an Gott für viele Menschen ein Anker. Etwas, das Halt gibt. Oft sind die Kirchen in solchen Zeiten während der Gottesdienste voller als sonst. Dieses Mal nicht. Große Menschenansammlungen sind tabu, die Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus sorgt dafür, dass es so schnell keine religiösen Zusammenkünfte in den Kirchen mehr geben wird. Für viele Gläubige ist das ein echtes Problem, ist doch gerade jetzt der Bedarf nach Zuspruch, Trost und spiritueller Begleitung für sie besonders vonnöten.

„Die Menschen haben Angst“, sagt Susanne Schmuck-Schätzel, kommissarische Dekanin des zum 1. Januar fusionierten evangelischen Dekanats Alzey-Wöllstein. Gemeinsam mit ihren Kollegen hat sie daher überlegt, wie sie auch in Zeiten von Corona ein Angebot schaffen kann, das die Christen in der Region erreicht. „Wir wollen Videogottesdienste anbieten“, erklärt die Geistliche. Diese sollen dann über die Homepages der Kirche oder über die sozialen Medien übertragen werden.

Als täglicher Impuls soll darüber hinaus das neue ökumenische Format „Eine andere Zeit“ dienen, in dem sich katholische und evangelische Pfarrer sowie andere für die Kirche tätigen Personen einem bestimmten Thema widmen, das in diesen bewegten Zeiten von Relevanz ist. Ab Donnerstag, 19. März, wird die Rubrik „Eine andere Zeit“ auch an fünf Tagen in der Woche in der Printausgabe dieser Zeitung erscheinen.

Susanne Schmuck-Schätzel ist wichtig, zu betonen, dass das seelsorgerische Angebot in den Pfarrgemeinden auch während der Corona-Krise weiterläuft. Wer Bedarf nach Seelsorge habe, könne sich jederzeit telefonisch mit dem jeweiligen Pfarramt in Verbindung setzen.

Größere Auswirkungen hat die Pandemie hingegen auf andere kirchliche Bereiche, etwa auf Trauungen oder Beerdigungen. „Es kommen beispielsweise Anfragen, ob nach einer Beerdigung noch das Trauercafé im Pfarr- oder Gemeindezentrum stattfinden können“, berichtet die Dekanin, die diese Anfrage aktuell leider verneinen muss. Sie wolle nun auch Kontakt mit den Verbandsgemeinden aufnehmen, um eine möglichst einheitliche Regelung zu finden, wie bei Beerdigungen zu verfahren ist – etwa, ob diese nur auf den engsten Familienkreis zu beschränken seien.

Ebenfalls noch geregelt werden muss die Frage, wie mit dem Thema Konfirmation umgegangen wird. „Viele Eltern haben da bereits ein Jahr im Voraus Gaststätten reserviert“, sagt Schmuck-Schätzel. Ob tatsächlich nach Ostern konfirmiert wird oder die Zeremonie in den Herbst geschoben werden muss, sei aktuell noch in der Diskussion.

Steffen Nagel (Lokalredakteur Alzey)

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