Bibeln erzählen Geschichten von Gott und der Welt. Darin geht es oft ans Eingemachte menschlicher Erfahrungen. Sie wurden sorgsam konserviert und weitergegeben, um den Nachkommen die eigene Lebensdeutung schmackhaft zu machen.
Darüber hinaus erzählen Bibeln als Bücher immer auch ihre je eigene Geschichte, weil das Leben an ihnen und in ihnen seine Spuren hinterlassen hat. Eine in dieser Weise geschichtsträchtige Familienbibel ist nun an ihren Heimatort Biebelnheim zurückgekehrt: eine fast 300 Jahre alte sogenannte „Cotta-Bibel“ von 1729. Fast 11 ½ Kilo schwer ist das gute Stück mit Luthertext, das nun in einer handgefertigten Buchkassette sicher lagert. Ihre besondere Geschichte findet sich weniger in der gedruckten Schrift, sondern in vielen handschriftlichen Notizen und Einträgen, die die Leerräume füllen. Diese tagebuchähnlichen Einträge erzählen vom Mord an einem Pfarrer, Missernten und Brezeln zum ersten Abendmahl nach der rheinhessischen Union, Preise und Wetterbeobachtungen erzählen zudem aus dem Lebensalltag der Familie Wilhelm Brand aus der Franzosenzeit (1795-1815). Manche Seiten wurden herausgerissen – welche Geschichten mögen sie erzählt haben?
„Diese Bibel muss zurück nach Biebelnheim!“, war deshalb nicht ohne Grund die erste Reaktion von Heinz-Günter Beutler-Lotz, als er im Buchantiquariat des Altstadtvereins Alzey um ein Gutachten zur Bibel gebeten wurde. Diese Ansicht teilte der Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde, die großzügige Spende eines Gemeindegliedes ermöglichte den Erwerb von der bisherigen Besitzerin. Über viele Jahre war die Bibel als Erbstück im Besitz der Familie Krebs-Grode in Eimsheim verwahrt worden.
Ruhestandspfarrer Beutler-Lotz schreibt in einem lesenswerten Gutachten: Die Bibel „ist in zweifacher Hinsicht geschichtsträchtig. Zum einen weil ihre Entstehung und Beliebtheit in dem spannenden geistesgeschichtlichen Zeitalter von Orthodoxie, Pietismus und Aufklärung liegt. Und zum anderen, weil die Einträge aus dem heute rheinhessischen Biebelnheim einen lokalen Einblick geben über die Situationen Rheinhessens zwischen 1794-1829 und die Wahrnehmung der Ereignisse durch die Verfasser. Ein Zeitdokument besonderer Art.“
Um die Bibel in ihrem insgesamt guten Zustand zu erhalten, half die Buchwerkstatt Rheinhessen mit einer sachkundigen Konservierung, die Gau-Odernheimer Buchbinderin Christine Merkel-Köppchen zeigte sich begeistert von der handwerklichen Qualität der Bibel.
Die Bibel wurde im Rahmen des Biebelnheimer Höfeschlenders erstmals der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.
Der Tag des offenen Denkmals am 14. September 2025 bietet nun die erneute Möglichkeit, die neue alte Bibel zu bestaunen. Die Evangelische Kirche Biebelnheim in der Oberen Kirchgasse ist von 11 bis 17 Uhr für den Besuch geöffnet.
Text: Markus Krieger